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Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)

Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)

Titel: Im Mondlicht (Phobos) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schuck
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in der qualmigen Tiefe des Raumes. Die Alten redeten durcheinander. Es gab offenbar viel zu erzählen. Ihre Augen leuchteten genauso grell und bunt wie die Beleuchtungsstreifen auf der Straße. Ihre Bewegungen zeichneten eckige Figuren in die rauchgeschwängerte Luft. "Los, Keeper!", brüllte der Alte, kaum dass die Plattform vor der Theke zur Ruhe gekommen war. "Zwei Whisky!"
    Mikey kannte Whisky. Er hatte schon mal welchen aus seines Vaters Glas getrunken und furchtbar husten müssen. Vater fand das gar nicht gut und hatte geschimpft. Der Keeper griff wie ein Blinder ins Regal und warf zwei Flaschen zu Boden. Wie aufgezogen fuhr er mit der dritten, die er erfasst hatte, herum, öffnete sie ungeschickt und versuchte in die Gläser zu treffen, die in einer Reihe auf der Theke standen. Eine Menge Whisky lief daneben. Der Keeper zog den Arm mit der Flasche zurück und schwankte sanft vor und zurück. Seine Augen leuchteten gelb... rot... gelb... rot.
    "Das war nicht so toll, was Keeper?", lachte der Alte. Es war kein besonders freudiges Lachen. "Aber egal, wir haben ja noch eine Ewigkeit Zeit, dich richtig einzustellen."
    Der Alte nahm die beiden Gläser, die höchstens ein Viertel voll waren. Plötzlich hörte Mikey – selbst durch die Geräusche in der Kneipe hindurch - wieder dieses entsetzliche Klatschen, das ihn auf der Straße schon so irritiert hatte.
    Die Schwingtüren knallten rechts und links an die Innenwand des Saloons. Die Hand des Alten, die gerade ein Glas für Mikey hielt, erstarrte mitten in der Luft. In der Tür stand der Fremde, der Mikey durch den Wald geführt hatte.
    "Bleib da stehen, wo du bist, Fremder!" , kreischte ihn der Alte an. "Wie hast du es überhaupt bis hierher geschafft?"
    Der Fremde antwortete nicht.
    Mikey fand das sehr spannend. Das war wie damals, als Toby hinter Caseys Freundin her war und die beiden Jungen sich schließlich mitten auf der Straße trafen. Jeder hatte einen Holzknüppel in der Hand, und alle wussten, gleich geht es los, gleich passiert es... und dann passierte es wirklich. Noch Wochen später konnte Toby nicht richtig laufen, weil Casey ihn mit einem gemeinen Schlag am Knie getroffen hatte.
    Der Fremde machte einen Schritt auf die Theke zu.
    Der Alte schüttete den Whisky (oder was immer dieses Teufelszeug in dem Glas war) vor dem Fremden auf den Boden. Schwarzblauer Rauch stieg auf. Die Holzdielen begannen Blasen zu werfen, weichten auf und verwandelten sich in Teer. Der Fremde sank bis zu den Knien ein. Er warf den Kopf zurück, ruderte mit den Armen in der Luft, versuchte seine Beine freizubekommen oder doch zumindest sein Gleichgewicht zu behalten. Zum ersten Male sah Mikey in sein Gesicht. Der Mann war viel jünger, als er gedacht hatte.
    Mikey entdeckte Bekanntes in seinen Zügen, wenn sie auch jetzt von Angst und Verzweiflung verzerrt waren. Vielleicht sehe ich eines Tages mal so aus wie er, dachte Mikey. Mikey kannte Angst, und er wäre jede Wette eingegangen, dieser Typ hier vor ihm hatte Angst, jede Menge davon.
    "Lass ihn da raus!", verlangte Mikey von dem Alten. Der wieherte los, dass die Fensterscheiben klirrten.
    Der Fremde war inzwis chen bis zum Hals eingesunken. Mikey fand, jetzt wurde es ernst. Er wurde wütend.
    Er trat dem Alten gegen das Bein. Der schwankte auf der Plattform und hörte auf zu wiehern.
    "Du bist gemein!", schrie Mikey.
    "Du hast Feuer in dir... !", schrie der Versinkende.
    "Du hast...", dann verschloss ihm der Teer den aufgerissenen Mund.
    Die stahlharte Klaue des Alten fasste Mikeys Arm. Mikey schrie auf.
    Fensterscheiben zersprangen. Kalter Wind trieb Schneeflocken zwi schen die Gäste. Aber der eisige Schauer löste keine Reaktion bei ihnen aus.
    Schlag...Stille...Schlag...Stille...Schlag...Stille...Schlag.
    Aus den dunklen Fensteröffnungen begannen so etwas wie weiße Fledermäuse zu quellen. Seltsame Tiere. Mikey hatte diese Art noch nie gesehen. Die Körper groß wie Männerhände und mit breit gestellten Mäulern wie Rochen. Planlos taumelten sie durch den Raum und klatschten gegen die Alten an den Tischen, die sich nicht wehrten. Immer mehr drängten durch die zerstörten Fensterscheiben nach, schließlich waren die Alten über und über mit weißen sich rangelnden Fledermäusen besetzt, was ihnen irgendwie das Aussehen von riesigen bleichen Maden verlieh. Mikey hörte das Schmatzen und Schlürfen der großen Tiere. Und sowie die ersten messerscharfen Zähne die Haut der alten Menschen durchdrangen, begann ein

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