Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)
den Kopf und blieb ernst. Vielleicht spürte sie deutlicher, was ich mit meiner Ironie abwehren wollte, nämlich, was mir selbst Angst machte.
"Vorgestern", fuhr Georg fort, "bin ich nachts in den Bunker. Es war absolut dunkel und die Luft roch nach nassem Beton. Meine Taschenlampe schnitt weiße Kreise aus der Dunkelheit. Die Kreise waren sehr klein. Ich hörte die Stille. Ich hörte sie besonders gut, wenn dieses Ping, Ping von Wassertropfen sie jeweils kurz zerriss. Ab und zu ein Knacken. Der Beton arbeitet, dachte ich noch, dann kamen plötzlich diese Menschen auf mich zu. Soldaten, es waren Soldaten! Sie trugen ja alle Uniformen. Wie ich! Ich und eine Uniform! Könnt Ihr euch das vorstellen? Jetzt werde ich verrückt, dachte ich."
"Du hattest dir Mut angetrunken, bevor du in den Bunker gingst?" , versuchte ich seinen Redefluss in vernünftigere Bahnen zu lenken.
Er hörte gar nicht hin, sondern fuhr fort: "Plötzlich wurde es viel heller, als bei dieser normalen Besucherbeleuchtung. Alle rannten. Und ich rannte mit. Ich wusste, warum ich rannte. Ich war einer von ihnen. Wir lagen unter einem schweren Bombenangriff. Kampfstand G war getroffen. Da sind wir hinbeordert worden. Sollten Schutt räumen. Die Geschützbedienung rausziehen oder besser, was von ihr übrig geblieben war. Dumpfes Grollen drang durch die kilometerlangen Bunkergänge. Plötzlich kam ich aus dem Tritt, weil der ganze Gang schwankte. Die kofferten uns ganz schön zu. Es war wie in einem U-Boot. Du kannst den Feind nie sehen. In unserem Bunker war es so: Der Beobachtungsstand gab die Koordinaten rein. Die Zentrale sortierte die eingehenden Informationen und gab die entsprechenden Einsatzbefehle an die Gefechtsstände. Selbst die Kanoniere sahen nichts. Sie luden, richteten die Geschütze entsprechend der Informationen, die sie von der Zentrale bekommen hatten und lösten die Schüsse. Aber sie sahen nichts. Es war völlig gespenstisch. Aber es klappte. Bis jetzt hatten die Deutschen noch keinen einzigen Stand knacken können. Was wir nicht verstanden, war, warum sie uns nicht einfach umgingen. Warum zogen sie nicht einfach an uns vorbei und rückten weiter auf Paris vor? Wir hätten ihnen mit unserem Bunker nicht folgen können. Sie waren über Holland und Belgien doch schon längst in unserem Rücken. Vielleicht musste man Deutscher sein, um das zu verstehen. Diese Gründlichkeit! Da ist noch so ein Schmutzfleck auf der Landkarte, dieser Bunker in Kalkofen. Weg damit! Also Frontalangriffe, Stukas. Sie hatten sogar ihre schweren Feldhaubitzen durch den Hunsrück geschleppt. Was für ein Aufwand! Die Dinger wogen jedes bis zu sechseinhalb Tonnen. Sie fuhren ihre Angriffe, und sie machten sich Gedanken, wie sie und knacken konnten. Und wir machten uns Gedanken, wo sie zuerst eindringen würden. Gedanken des Krebses, wenn die Möwe ihn gepackt hat. Das alles geschah am 20. Juni 1940. Dieses Datum kommt mir immer wieder in den Sinn."
"Warum gerade dieses Datum?" fragte ich.
"Ich weiß nicht. Nun, andererseits, am 21. Juni 1940 wurde ich geboren."
Ehrlich gesagt lief es mir in diesem Augenblick ziemlich kalt den Rücken `runter. Aber ich unterbrach Georg nicht. Es war seine Geschichte. Wenn sie auch völlig unmöglich war. Georg dachte angestrengt nach. Es sah aus, als sei es eine körperliche Anstrengung für ihn.
"Zwei Monate war ich schon in dem Bunker. Keiner blieb länger als drei. Keine Sonne, keine Kinder, keine Frauen. Nur Soldaten, menschlicher Gestank, der Geruch nach feuchtem Beton, Ernstfallübungen und jetzt der echte Ernstfall. Es war Krieg und sie wollten uns knacken."
"Deine Phantasie", warf ich ein.
"Habe ich auch erst gedacht", entgegnete Georg. "Zumal diese Bilder vom Krieg, von dieser unaussprechlichen Hektik im Bunker auch immer wieder verblassten. Wie alte Fotokopien ihre Farben verlieren oder alte Filme. Und stattdessen waren dann da einfach die Stille und das Tropfen von Wasser auf Beton. Aber dann kam es wieder, viel intensiver, deutlicher, logischer als ein Traum. Es war eben mehr als ein Traum. Und wenn es eine Halluzination war, dann hatte sie ihren Sinn."
"Du hattest eine Krise", versuchte ich ihn zu verstehen.
Georg lächelte müde. "Ja, so kann man es auch nennen. Natürlich. Eine Krise." Er lachte bitter. "Das Wort versteht heute jeder. weil ja ständig irgendwo irgendeine Krise ist. Nennen wir es eine Krise, wenn dich das beruhigt."
"Ich muss nicht beruhigt werden !", warf ich etwas beleidigt ein.
"Und
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