Im Morgengrauen
gewesen und schrieb gelegentlich für eine Rockmusik-Zeitschrift. Der Abend endete im Wohnzimmer, wo die Männer sich alte Schallplatten bei einer Tasse Kaffee anhörten. Yannick, der den Raum bisher noch nicht betreten hatte, staunte nicht schlecht über die Sammlung meines Vaters. Kein Vergleich zu seiner, sie konnte sich aber trotzdem sehen lassen. Ich fürchtete schon, er würde in Zukunft mehr Zeit, als mir lieb war, in diesen vier Wänden verbringen. Die CD-Abteilung interessierte ihn weniger, da sie gleichermaßen viel Jazz und Klassik enthielt.
Gegen halb zehn zog ich mich unter dem Vorwand zurück, ich wäre müde. Natürlich hoffte ich, Yannick würde bald nachkommen. Anderseits war ich tatsächlich erschöpft, was in Anbetracht der vorigen Nacht kein Wunder war. So wurde ich vom Schlaf übermannt, ehe Yannick sich zu mir gesellte.
Ich träumte davon, wie seine Finger und seine Lippen mich liebkosten. Mein Körper, der sich zunächst wie betäubt anfühlte, erwachte unter seine Berührungen. Ja nicht wach werden, dachte ich nur – es war einfach zu schön. Zumindest war das mein Gedanke im Halbschlaf, bis mir eine Stimme ins Ohr hauchte: „Soll ich dich schlafen lassen?“
In dem Moment wusste ich: Es war gar kein Traum. Ich öffnete meine Augen. Yannick lag neben mir, die Nachttischlampe war an, mein Hemd aufgeknöpft und seine Finger berührten meinen Busen.
„ Wenn du aufhörst, schreie ich.“
„ Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als dich zum Schweigen zu bringen.“
Was seine Lippen auch taten.
26
Am nächsten Tag erwachte ich allein in meinem Bett. Die Bettwäsche roch so stark nach ihm … ich schloss die Augen und sog seinen Duft in mich ein. Es war, als ob er die ganze Nacht mit mir verbracht hätte. Die Tür war einen kleinen Spalt offen. Ich fragte mich, ob Yannick versäumt hatte, sie zuzumachen. Oder hatte etwa mein Vater einen Blick riskiert? Vielleicht wollte er sich vergewissern, dass ich in Morpheus’ Armen gelegen hatte und nicht in denen meines Freundes. So viel Kontrolle traute ich ihm eigentlich gar nicht zu.
Mit zugeknöpftem Hemd schlich ich mich in Maries Zimmer. Yannick schlief tief und fest. Ich konnte mich gar nicht an ihm sattsehen. Wäre ich dem Impuls gefolgt, wäre ich unter seine Decke gekrochen, ich wollte ihn aber nicht wecken. Noch nicht. Er hatte bereits zwei kurze Nächte hinter sich. Wir hatten beschlossen, ans Meer zu fahren, also wollte ich die Zeit nutzen, Aquila zu reiten. Außerdem musste ich Manuel noch beibringen, dass ich am Nachmittag nicht da sein würde. Ein kurzer Gedanke an ihn und schon verspürte ich diesen Druck in meiner Brust: Mein schlechtes Gewissen machte sich mal wieder bemerkbar. Ich zog mich an, flitzte die Treppe herunter und begab mich in die Küche.
Meine Großmutter staunte über meine Aufmachung: „Du gehst reiten? Um diese Zeit?“
„ Ja, Yannick und ich möchten den Tag zusammen verbringen. Falls du Einkäufe hast, kannst du ihn losschicken, sobald er wach ist.“
„ Zu guter Letzt ist es mit deinem Vater doch ganz gut gelaufen.“
„ Ja, wer hätte das beim Aperitif gedacht? Hätten sie sich nicht gesiezt, hätte man meinen können, sie wären alte Kumpel, die sich nach Jahren wiedertreffen und klönen. Ich fühlte mich so überflüssig, ich bin gleich nach dir ins Bett gegangen.“
„ Besser das als die Spannungen, die am Anfang in der Luft lagen. Yannick ist ein charmanter Junge, ich war mir sicher, dass er ihm gefallen würde.“
„ Und ich sagte noch zu ihm, er könnte mit seinem Charme bei Papa nichts ausrichten. Da habe ich mich ganz schön geirrt, selbst Männer wickelt er ein.“
„ Mir gefällt er auch“, meinte Marie.
„ Ist mir schon aufgefallen. Ich bin froh, dass du erst zehn Jahre alt bist“, scherzte ich und betrachtete dabei ihr Engelsgesicht.
„ Aurelie gefällt er auch. Du hättest sie sehen sollen, als du gestern losgaloppiert bist …“
„ Marie!“, unterbrach sie meine Großmutter.
„ Versuchst du etwa, mich eifersüchtig zu machen?“, fragte ich amüsiert.
„ Nein!“, sagte sie empört. „Ich möchte nur, dass du aufpasst. Nicht, dass sie ihn dir wegschnappt.“
„ Du bist echt süß. Das wird nicht passieren.“
Nach dem Frühstück ging ich mit einem Apfel in der Hand zum Pferdestall. Die Tür stand offen, also riskierte ich einen Blick hinein. Miguel war in einer Box beim Misten. Ich begrüßte ihn und erkundigte mich nach Manuel. Der
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