Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
Vom Netzwerk:
schon nicht langweilen, Marie ist gerade zu ihm gegangen. Deine Großmutter hat mir gesagt, er wird ein paar Tage bei uns bleiben. Mich würde brennend interessieren, wo er schlafen soll.“
    „ In meinem Zimmer“, murmelte ich.
    „ Das kommt nicht infrage!“
    Sein Ton war so bestimmt gewesen, dass ich mich nicht traute, zu widersprechen.
    „ In Maries Zimmer dann?“, schlug ich zögerlich vor.
    „ Und Marie?“
    „ Er wird sich nur nachts dort aufhalten. Sie kann bei Oma schlafen, das Gästebett ist groß genug. Noch was?“, fragte ich, nachdem meine Großmutter mit einem Kopfnicken zugestimmt hatte.
    „ Nein, von mir aus kann er jetzt kommen.“
    Ich ging zur Schaukel zurück und bat Marie, uns allein zu lassen, nachdem ich ihr eröffnet hatte, sie würde wieder mit unserer Großmutter im Bett schlafen müssen.
    „ Du hast doch nicht aus diesem Grund geweint, oder?“, fragte Yannick, als sie uns nicht mehr hören konnte.
    „ Natürlich nicht. Ich will doch hoffen, dass du nachts zu mir kommst.“
    „ Wer weiß … Vielleicht … Wenn ich nicht zu müde bin“, lächelte er mich an.
    „ Blödmann!“
    „ Erzähl! Was hat er gesagt, um dich so aus der Fassung zu bringen?“
    „ Ich glaube, das willst du gar nicht hören.“
    „ So schlimm?“
    „ Ja … Nein.“
    „ Jetzt geht das wieder los“, musste er lachen. „Ja oder nein?“
    „ Ja für den ersten Eindruck, nein für den zweiten.“
    „ War mir bewusst. Ich bin zwar kein Gestaltwandler, ich kann aber auch einen Gesichtsausdruck deuten, zudem dein Vater nicht versucht hat, seine Gefühle mir gegenüber zu verbergen. Und das ist gut so. Also, wenn ich richtig verstanden habe, ist es eher gut gelaufen?“
    „ Kann man so sagen, ja.“
    „ Gut! Dann lass uns zur Terrasse gehen“, schlug er vor.
    Als wir zurückkamen, stand mein Vater gerade auf und fragte, ob wir noch etwas trinken wollten. Yannicks Antwort „ein Wasser“ brachte ihn zum Schmunzeln. Vermutlich dachte er, wir hätten über das nicht vorhandene Alkoholproblem gesprochen, was nicht zutraf. Das musste ich sofort klären, als Yannick sich zurückzog, um mit Jeremy zu telefonieren.
    „ Du brauchst gar nicht so zu grinsen, ich habe das Bier nicht erwähnt. Stell dir vor, ich habe mich gar nicht getraut, ihm zu erzählen, was du alles über ihn gesagt hast.“
    „ Umso besser. Wer ist Jeremy?“
    „ Sein Bruder.“
    „ Er ruft seinen Bruder an, um zu sagen, dass er gut angekommen ist?“, fragte er verblüfft.
    „ Wie du siehst … Er hat sonst keine Familie mehr.“
    „ Oh! … Was magst du trinken?“
    „ Nichts danke, ich habe noch was draußen. Ich komme gleich.“
    Ich flitzte auf mein Zimmer. Yannick hatte gerade aufgelegt, als ich den Raum betrat. Er ließ mir gar keine Gelegenheit, mich nach Jeremy und den anderen zu erkundigen. Seine durchdringenden Augen brachten mein Herz zum Toben.
    „ Ich könnte dich fressen“, flüsterte er, ehe er an meinem Ohr knabberte.
    „ Hüte dich davor! Vergiss nicht, dass ich hier der Fleischfresser bin.“
    „ Je mehr ich mich zurückhalte, desto größer wird die Lust.“
    „ Das kenne ich. Geht mir genauso“, sagte ich und zog ihm dabei das T-Shirt aus.
    Weiter ging es nicht. Ein kurzes Klopfen und schon stürzte Marie in den Raum.
    „ Raus!“, schrie ich.
    Amüsiert trat sie zurück und wollte gerade die Tür hinter sich zumachen, als Yannick sie rief. Ihr strahlendes Gesicht kam in der Öffnung wieder zum Vorschein. Yannick legte einen Finger auf seine Lippen, um sie zu bitten, nichts zu verraten. Sie zwinkerte ihm zu und nickte.
    „ Unglaublich! Ich fasse es nicht. Selbst meine kleine Schwester hast du jetzt in der Tasche.“
    „ Ich bin eben unwiderstehlich.“
    „… und überhaupt nicht bescheiden. Lass uns lieber runtergehen, bevor mein Vater sich fragt, was wir treiben. Ich fürchte, dass dein Charme bei ihm nicht viel anrichten kann.“
    „ Nobody’s perfect.“
    Sprach er von sich oder von meinem Vater?
     

    Trotz schlechtem Start entwickelte sich der Abend sehr positiv. Mein Vater schien die Unterhaltung mit Yannick zu genießen. Sie sprachen über Gott und die Welt, Aktuelles und Politik, aber natürlich auch über Yannicks Studium und – wie konnte es anders sein? – über Musik. Papa wirkte nicht mehr neugierig, sondern eher interessiert. Im Grunde genommen hatte seine Fragerei vieles über Yannick in Erfahrung gebracht: Er hatte schon ein abgeschlossenes Studium, war für ein Jahr in New York

Weitere Kostenlose Bücher