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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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wurde bereits vermisst. Und zwar so sehr, dass Miguel mich bat, ihm seinen Sohn vorbeizuschicken.
    Die Fensterläden von Manuels Zimmer waren immer noch geschlossen. Er befand sich bestimmt noch nicht unter den Lebenden. An der Tür zu klingeln wäre vergeblich gewesen. Von Anna wusste ich, dass es harte Arbeit war, Manuel aus den Federn zu bekommen. Pro forma klopfte ich an der Verandatür, blieb jedoch nicht lange stehen. Schließlich wollte ich keine Wurzeln schlagen. Ohne Umwege flitzte ich zum ersten Stock und klopfte an seine Tür. Als meine Ohren ein dumpfes „Hm“ vernahmen, trat ich ein.
    „ Manuel, aufstehen!“
    Noch war er nicht in der Lage, sich zu artikulieren. Ein Grunzen aus seiner Kehle wies auf einen Protest hin. So schnell gab ich mich nicht geschlagen. Ich lief zum Fenster, um die Läden aufzumachen und das Tageslicht hineinzulassen.
    „ Dein Vater braucht dich. Eigentlich war ich gekommen, um zu fragen, ob du mit mir reiten möchtest“, erklärte ich, an die Wand unter dem Fenster gelehnt.
    Er blinzelte kurz und schloss die Augen. Brummend drehte er sich auf den Bauch und vergrub sein Gesicht im Kopfkissen. Das Licht, das den Raum durchflutete, war ihm scheinbar zu hell.
    „ Manu! Ich habe nicht den ganzen Morgen Zeit … Steh auf, oder ich gehe.“
    Ein erneutes „Hm“ war sein einziger Kommentar.
    „ Okay!“
    Auf dem Weg zur Tür versuchte ich, ihm das Kopfkissen zu klauen. Für jemanden, der noch im Halbschlaf lag, krallte er sich mit ungewöhnlich viel Kraft daran fest.
    „ Ich nehme dir die Decke weg, wenn du jetzt nicht aufstehst.“
    „ Nur zu! Tu, was du nicht lassen kannst“, murmelte er.
    Er musste sich bei dem Gedanken mächtig gefreut haben. Er wusste ganz genau, dass ich diese Geste sofort bereuen würde. Kaum hatte ich an der Decke gezogen, ließ ich sie wieder auf seinen Hintern fallen: Er war splitternackt. Zum ersten Mal an diesem Morgen schaute mich Manuel an … mit einem Grinsen über das ganze Gesicht.
    „ Sehr witzig! Ich warte in der Küche auf dich. Wenn du in fünf Minuten nicht da bist, gehe ich allein reiten und sage deinem Vater, er kann dich selbst aus dem Bett holen.“
    In der Küche schenkte ich mir eine Tasse Kaffee ein. Die Thermoskanne war so gut wie voll. Kaum hatte ich einen Schluck im Stehen getrunken, betrat Manuel die Küche. Er war lediglich in Shorts geschlüpft. Er kam direkt zu mir, drückte mir einen Kuss auf die Wange, nahm mir dabei die Tasse aus der Hand und bedankte sich für den Kaffee.
    „ Hey! Den hatte ich mir eingeschenkt“, protestierte ich. Er lächelte mich nur frech an, fast arrogant, und trank weiter. „Yannick und ich wollen später ans Meer fahren, ich dachte, du würdest vielleicht gerne vorher mit mir reiten gehen.“
    „ Nur du und ich? Ohne ihn?!“
    „ Er schläft.“
    „ Ihn lässt du schlafen und mich weckst du.“
    Ich war mir nicht sicher, ob ich seinen Vorwurf wirklich als solchen deuten sollte.
    „ Entschuldige, es war nett gemeint. Er hat zwei Nächte kaum geschlafen …“
    „ Erspare mir die Einzelheiten.“
    „ Wie auch immer: Ich dachte, es würde dich freuen, mit mir allein auszureiten“, erklärte ich weiter mit leicht geröteten Wangen. „Ich gehe dann. Du weißt, wo du mich findest, falls du mich begleiten willst.“
     

    Zurück bei den Boxen, informierte ich Miguel, dass Manuel nach dem Frühstück käme.
    Der ließ auch nicht lange auf sich warten. Er kam angerannt, als ich Aquila aus dem Stall führte. Schnell lief er an mir vorbei und bat mich, nicht ohne ihn zu gehen. Eine hitzige Diskussion auf Spanisch drang an meine Ohren. Wieder einmal hatte ich, ohne es zu wollen, eine Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn verursacht.
    „ Es tut mir Leid“, sagte ich verlegen, als Manuel mit Paco herauskam.
    „ Mach dir nichts draus. Das wird schon wieder. Langsam aber sicher geht er mir auf die Nerven. Der Tag fängt gerade erst an und das Heu wird schon nicht davonfliegen. Er sollte sich glücklich schätzen, dass ich wieder da bin. Mann bin ich froh, dass meine Mutter heute wieder zurückkommt.“
    „ Ist Aurelie gestern noch lange geblieben?“, wollte ich wissen.
    „ Nein, sie ist direkt nach Marie und Oma gegangen. Die wird vielleicht enttäuscht sein, Yannick nicht zu sehen.“
    „ Ist dir überhaupt klar, dass sie DICH früher so angeschaut hat?“
    „ Mich?!“ Er starrte mich erstaunt an. „Das ist ein Scherz, oder?“
    „ Nein, wirklich.“
    „ Ist mir gar nicht

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