Im Morgengrauen
ebenfalls einkaufen gehen, beeilte sich und kam bereits nach zwanzig Minuten zurück. Seinem strahlenden Lächeln nach zu urteilen, musste er das gefunden haben, wonach er gesucht hatte. Ich hätte gewettet, es ging um Musik, würde mich aber noch ein paar Tage gedulden müssen, ehe ich die Bestätigung erhielt.
Seine leuchtenden Augen, die mich in aller Öffentlichkeit durchbohrten, machten mich befangen, was ich auch sagte.
„ Die Hälfte der Männer, die hier sitzen, glotzen dich an und mein Blick macht dich verlegen?“, fragte er halb überrascht, halb amüsiert.
„ Wie bitte?!“
„ Ist dir nicht aufgefallen, dass du der Hingucker bist?“
„ Nein, stell dir vor, in der Regel vermeide ich es, den Blick von Fremden zu erwidern.“
„ Ein Glück, dass wir zusammengestoßen sind.“
„ Kann man so sagen.“
„ Die zwei Typen zu deiner Rechten … sie ziehen dich mit ihren Augen regelrecht aus. Ich dagegen schaue nur dein Gesicht an.“
„ Schon witzig, das habe ich schon mal gehört. Bist du eifersüchtig?“
Er nahm meine Hand und küsste sie.
„ Im Gegenteil: Ich bin stolz.“
Zeit, das Thema zu wechseln, ansonsten würden Hitzewallungen das Erröten noch verstärken. Ich versuchte, in Erfahrung zu bringen, wo Yannick überall gewesen war. Selbstverständlich verriet er rein gar nichts. Bis auf das Kaufhaus, mit dessen Tüte er durch die Straßen von Caen gegangen war, holte ich nichts Brauchbares aus ihm heraus. Beim Aufbrechen spürte ich seine Hand an meinem Po, gerade in dem Moment, als wir an dem Tisch mit den zwei Männern vorbeiliefen.
„ Du kannst es nicht lassen, oder?“, spielte ich die Empörte.
„ Nein, ich musste sie neidisch machen.“
„ Weißt du, dass ich dich ein bisschen provokativ finde?“
„ Nur ein bisschen?“
„ Mein Vater hat Recht: Du bist ein Angeber.“
„ Hat er das gesagt?“, fragte er amüsiert und blieb stehen. „Gib zu, dass es dir gefällt, mein ganzer Stolz zu sein.“
Ich antwortete mit einem leidenschaftlichen Kuss.
„ Lilly, wie kannst du nur? Auf der Straße, mit all diesen Leuten, die uns anschauen, in dieser Aufmachung!“
Jetzt war er an der Reihe, den Indignierten zu spielen.
„ Vielleicht ist es ansteckend. Anscheinend mag ich es, in deinen Armen zu provozieren. Von dem abgesehen, kennt mich hier keiner.“
Diesmal küsste er mich.
Als wir am Wagen ankamen, ließ er seine Hand auf dessen Dach gleiten und meinte: „Lieber Neid als Mitleid erwecken. Ich werde mich aber trotzdem von diesem Schmuckstück trennen.“
Ich hörte Wehmut in seiner Stimme und versuchte, ihn aufzumuntern: „Sollte mein Vater einwilligen, dass ich mit dir nach Paris gehe, hättest du keine langen Strecken mehr zurückzulegen und somit keinen Grund, um den Wagen zu verkaufen.“
„ Die finanzielle Seite ist nicht mein Hauptanliegen. Wäre ich nicht in die Staaten gegangen, hätte ich mich bestimmt schon längst vom ihm getrennt. Er gehört zu einer Vergangenheit, unter die ich endlich einen Schlussstrich ziehen möchte. Sollte ich mir später wieder einen Oldtimer kaufen, dann in Weiß. Den kann man für Hochzeiten vermieten.“
„ Und das läuft?“
„ Und wie! So gut, dass es ratsam ist, ein zweites Fahrzeug zu haben, wenn man im Frühjahr und Sommer am Wochenende beweglich sein will. Wie auch immer: Der nächste Wagen wird klein und unauffällig sein. Enttäuscht?“
„ Überhaupt nicht. Ich interessiere mich lediglich für den Chauffeur, nicht für die Karosserie. Ich möchte nur nicht, dass du dich meinetwegen von dem Wagen trennst und es später bereust.“
„ Da kann ich dich beruhigen: Es gibt für mich Wichtigeres als ein bisschen Blech. Ich mag zwar schöne Sachen, ich muss sie aber nicht besitzen, um glücklich zu sein. Ich bin bestimmt weniger Angeber, als dein Vater zu glauben scheint.“
„ Schien – vielleicht hat er seine Meinung bereits geändert. Es war nämlich einer seiner ersten Eindrücke.“
„ Jetzt, wo ich dich habe, brauche ich sowieso keinen Wagen mehr, um angeben zu können.“
„ Solange du mich nicht als dein Eigentum betrachtest, fühle ich mich geschmeichelt.“
„ Du bist nur das Objekt meiner Begierde und meines Stolzes, ich besitze dich aber nicht. Ich möchte nur eins: Dass du glücklich bist.“
Oh Gott! Diese Worte, diese Augen, dieser Kuss … Sie waren bestimmt zu schön, um wahr zu sein. Zweifelsohne erlebte ich den längsten Traum meines Lebens. Er hatte eines Morgens als Albtraum in
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