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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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unserem Garten begonnen und sich zu etwas Wundervollem entwickelt. Befand ich mich etwa im Koma?
    „ Erde an Lilly! … Träumst du?“
    „ Entschuldige, ich war abwesend.“
    „ Das habe ich gemerkt.“
    „ Ich habe manchmal den Eindruck, dass ich einen Traum durchlebe … sowas wie eine Schimäre.“
    „ Mir geht es genauso“, lächelte er mich an, ehe er zu Reggae losfuhr.
     

    Als wir zu Hause ankamen, stand der Jeep noch nicht vor der Haustür. Yannick warf mir einen schelmischen Blick zu.
    „ Sollen wir zusammen duschen?“
    „ Mein Vater hat dir ja nicht verboten, mit seiner Tochter unter die Dusche zu gehen, oder?“
    „ Nein, nicht ausdrücklich.“
    „ Dann sollten wir das Risiko eingehen.“
     

     

     

     

     

     

     

     

27
     

     

     

     

    Meine Großmutter sah betrübt aus. Mehr noch, besorgt. Sie erklärte mir, Anna sei zurückgekehrt und würde mein Verhältnis zu Yannick keinesfalls gutheißen. Ihr lag viel daran, die beiden miteinander bekannt zu machen. Sie war felsenfest davon überzeugt, Anna würde ihre Meinung ändern, sobald sie ihn kennengelernt hätte, und drängte mich regelrecht dazu, sie mit ihm zu besuchen. Yannick, der sich bereits zum Duschen ausgezogen hatte, kleidete sich widerwillig wieder an. Währenddessen tauschte ich mein knappes Kleid gegen eine Jeans und ein T-Shirt.
    Bei unserer Ankunft runzelte Anna die Stirn. Ein kleines Lächeln lag zwar auf ihren Lippen, als sie mich begrüßte, es verschwand aber unmittelbar, als ich sie mit Yannick bekannt machte. Ohne ein Wort schüttelte sie ihm sehr lange die Hand und fixierte ihn dabei mit einem starren Blick, den ich geradezu unheimlich fand. Ich schämte mich fast für ihr Verhalten. Sie fragte ihn provokativ, ob ich wüsste, wer er sei. Ich bejahte an seiner Stelle. Meine Antwort schien sie aber kein bisschen zu interessieren. Ihr Blick wanderte von meinem Freund zu meiner Großmutter, als wäre ich gar nicht anwesend. Oma bat Yannick, uns allein zu lassen. Gehen widerstrebte ihm, er wollte unbedingt hören, was Anna mir zu sagen hatte. Meine Großmutter beharrte sanft aber bestimmt darauf. Er würde später Gelegenheit haben, mir seine Version der Geschichte zu erzählen.
    Was für eine Version? Was für eine Geschichte? Jetzt war ich diejenige, die sie allesamt musterte, und zwar einen nach dem anderen. Offensichtlich wusste meine Großmutter etwas über Yannick, was sie mir verschwiegen hatte.
    Dieser küsste mich flüchtig auf den Mund, nahm meine Hand und flüsterte mir zu: „Vergiss nicht, dass ich dich liebe.“
    Verdutzt sah ich zu, wie er Anna einen vernichtenden Blick zuwarf. Als er gehen wollte, packte sie ihn am Arm. Er befreite sich mit einem Ruck und den Worten: „Unterstehen Sie sich, mich noch einmal anzufassen.“
    „ Schöne Narbe! Weiß Lilly, woher sie stammt?“
    „ Wieso? Habe ich sie Ihnen zu verdanken?“, fragte er leicht angriffslustig.
    „ Nein, ich war nicht dabei.“
    „ Dann frage ich mich, woher Sie sich das Recht nehmen, darüber zu reden und über mich zu urteilen.“
    „ Es reicht!“, schaltete sich meine Großmutter ein. „Yannick, bitte“, flehte sie ihn fast an. „Geh einfach spazieren.“
    Ihre Hand ruhte auf seinem Oberarm, als wollte sie ihn beruhigen. In ihren Augen las ich „vertrau mir“, in seinen sah ich nur Resignation. Fassungslos schaute ich die beiden mit der Erkenntnis an, dass ich gleich etwas erfahren sollte, was mir nicht gefallen würde.
    „ Ich frage mich, wer hier wen hypnotisiert“, meinte Anna höhnisch, als Yannick ging. „Was habe ich dir gesagt! Er weiß ganz genau, dass er mich nicht manipulieren kann, deshalb darf ich ihn nicht mehr anfassen.“
    „ Hör doch auf mit dem Unsinn! Du hast einen solchen Hass gegen ihn und seinesgleichen, dass du nicht mehr klar denken kannst. So wie du mit ihm umgesprungen bist, kannst du auch keine Sympathie erwarten.“
    „ Nimm ihn nur in Schutz! Unglaublich! Du duzt ihn ja sogar, … als würde er zur Familie gehören. Hätte mir das jemand erzählt, hätte ich es nicht für möglich gehalten. Hast du vergessen, dass du an diesem Tag deinen Mann verloren hast? Wie kannst du ihnen verzeihen? Weiß Lilly überhaupt, wer ihren Großvater getötet hat?“
    Ein Schwall von Fragen, die keinen Raum für Antworten ließ, bis meine Großmutter schließlich konterte: „Mir scheint, du bist diejenige, die etwas vergisst: Bernard hat auch sein Leben verloren. Ohne ihn wären Laurence und die Kinder an

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