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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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Hand.
    Nach der angeregten Konversation der Männer zu urteilen, würden sie uns nach dem Essen nicht vermissen. Ich zweifelte sogar, dass sie überhaupt Notiz von unserer Abwesenheit nehmen würden.
    Marie, die sich keineswegs für ihre Gespräche interessierte, wollte uns unbedingt zu Anna begleiten. Obwohl wir es ihr nicht verdenken konnten, passte uns das ganz und gar nicht, denn in ihrem Beisein würden wir nicht offen sprechen können. Aber es war nichts zu machen, sie war nicht davon abzubringen. Also rief ich Manuel an, er sollte sie ablenken, damit wir uns in Ruhe mit seiner Mutter unterhalten konnten. Der Schuft stellte eine Bedingung: Ich sollte am nächsten Tag in der Frühe allein mit ihm reiten gehen.
    „ Das ist Erpressung.“
    „ Glaube mir: Du wirst es nicht bereuen. Das, was ich dir erzählen will, wird dich interessieren.“
    „ Worum geht es denn?“, fragte ich neugierig.
    „ Komm morgen früh und du wirst sehen. Aber nicht vor zehn Uhr, ich habe schließlich Urlaub.“
    „ Kannst du mir wenigstens einen winzigen Anhaltspunkt geben?“
    „ Morgen. Bis dann!“ … und peng!
    Er hatte aufgelegt. Einfach so. Ohne mir die Gelegenheit zu geben, etwas hinzuzufügen. Der Halunke kannte mich gut genug, um zu wissen, dass ich vor Neugierde platzte, und dass ich am nächsten Tag an Ort und Stelle sein würde.
    Nach dem Telefonat sah ich, wie meine Großmutter vergeblich versuchte, Marie irgendwelche Filme aus unserer DVD-Sammlung schmackhaft zu machen. Diese ließ sich jedoch nicht beirren. Mit einer kleinen Handbewegung deutete ich an, dass sie uns ruhig begleiten konnte.
    Mit Marie im Schlepptau liefen wir also zum Nachbarhaus. Anna wartete bereits auf der Veranda auf uns. Kaum waren wir da, schon erschien auch Manuel. Da an dem Morgen ein Fohlen geboren worden war, war es für ihn ein leichtes Spiel, Marie herauszulocken.
    Sobald wir allein waren, nahm mich Anna in die Arme und bat mich um Entschuldigung. Während ich auf eine lange Diskussion eingestellt war, hatte sich ihr Verhalten um hundertachtzig Grad gewendet. Sogar meine Großmutter, die sich ja zuletzt mit ihr unterhalten hatte, schien über diese Wandlung erstaunt zu sein.
    Anna hoffte, dass Yannick bereit wäre, ihr noch einmal die Hand zu geben, sprich, ihr zu verzeihen. So gut kannte ich meinen Freund nicht, ich hielt ihn aber nicht für sonderlich nachtragend. Manuels Mutter erzählte mir, sie hätte Laurence nicht sehen können, weil sie ihren Aufenthaltsort geheim hielt. Meine Tante hätte sie allerdings bei gemeinsamen Freunden angerufen. Anna hatte nichts von meinen Fähigkeiten am Telefon verraten, sie hatte ihr lediglich zu verstehen gegeben, dass ich etwas Besonders sei und ihren Rat bräuchte. Laurence hatte versprochen, sich in Kürze bei mir zu melden.
    Ehe wir gingen, fragte ich Anna, ob ich an meinem Geburtstag mit der Anwesenheit der ganzen Familie rechnen konnte. Sie ging davon aus, dass Miguel mitkommen würde. Wir wollten gerade zur Tür raus, als uns Marie, gefolgt von Manuel, total aufgeregt entgegenkam, sie hatte einen Namen für das Fohlen aussuchen dürfen. Es sollte Diablo heißen.
    Beim Abschied ließ Manuel einen Fingernagel an meinem Arm entlangstreifen und flüsterte dabei „bis morgen“ in mein Ohr. Als wäre sein Verhalten vor versammelter Mannschaft nicht schlimm genug, machte er die Anwesenden auch noch auf meine Gänsehaut aufmerksam. Der Idiot hatte die Dreistigkeit, mir mit einem breiten Grinsen eine Jacke anzubieten. Ich ging gar nicht darauf ein und sagte stattdessen schroff: „Ich kann morgen nicht kommen.“
    „ Natürlich kannst du das … Und glaub mir, du wirst kommen. Bis dann!“
    Großspurig ließ er mich einfach stehen. Meine Großmutter und Anna sahen mich verdutzt an. Wo nahm er diese Selbstsicherheit her, die mich so rasend machte? Er hatte mich wieder so gereizt, dass ich überhaupt keine Lust verspürte, mit ihm reiten zu gehen. Letztendlich hatte ich ihm auch nichts versprochen. Er könnte noch lange warten.
     

    Die Männer hatten ihre Sitzung ins Wohnzimmer verlagert, mittendrin etliche LPs, die sie unbedingt zusammen hören wollten. Während sie sich angeregt unterhielten, schlich ich in das Zimmer meines Vaters, um etwas aus dem Schrank zu mopsen. Die Kleider meiner Mutter waren mir wieder in den Sinn gekommen. Ich wurde schnell fündig: ein kleines Nachthemd, ganz schlicht, aus schwarzer Seide mit dünnen Trägern. Ich strahlte, zweifelsohne würde es Yannick gefallen. Beim

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