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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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Verlassen des Zimmers machte mein Herz einen Satz, denn ich traf im Dunkeln auf meine Großmutter. Reflexartig versteckte ich das Negligé hinter meinem Rücken. Sie schubste mich wieder in den Raum und fragte leise, was ich da tat. Verlegen zeigte ich ihr das bisschen Stoff.
    „ Wo hast du das gefunden?“, wollte sie wissen.
    „ In Mamas Schrank. Aber ich darf etwas rausholen, wenn ich will“, fügte ich hastig hinzu.
    „ Wieso versteckst du dich, wenn dein Vater es erlaubt?“
    Bei den Worten näherte sie sich dem Kleiderschrank, um fassungslos hineinzuschauen.
    „ Papa hat gesagt, er würde die Sachen von Mama im Schrank lassen. Ich dürfte mich bedienen, wenn mir etwas gefiel. Er braucht aber nicht zu wissen, dass ich ausgerechnet ein Negligé heraushole.“
    „ Meine Güte! Stell dir vor, er nimmt eines Tages eine Frau mit nach Hause, und sie macht aus Neugier den Schrank auf!“
    Mit großen Augen schob sie einen Bügel nach dem anderen zur Seite, um die einzelnen Kleidungsstücke zu begutachten.
    „ Ich glaube nicht, dass sowas so schnell vorkommt.“
    „ Sowas
, wie du sagst, plant man nicht immer … Es passiert einfach. Entschuldige, ich finde es nicht normal, dass die Sachen deiner Mutter nach so vielen Jahren immer noch in seinem Schrank hängen. Weißt du schon, was du an deinem Geburtstag anziehen wirst?“
    „ Ein schwarzes Kleid.“
    Sie holte einen Kleiderbügel heraus und hielt ihn vor mich hin.
    „ Was hältst du von diesem hier?“
    „ Das ist, glaube ich, keine so gute Idee“ – bedauerlicherweise, denn es war wunderschön.
    „ Darfst du jetzt die Kleider tragen, oder nicht?“
    „ Doch, schon … Aber vor Kurzem hat mir Papa erzählt, wie sie sich kennengelernt haben. Nach der Beschreibung könnte sie dieses Kleid getragen haben.“
    „ Ein Grund mehr. Es kann gar keinen besseren Tag geben als deine Volljährigkeit, um darin zu erscheinen. Er muss endlich einsehen, dass du erwachsen bist.“
    „ Ich weiß nicht … Ich habe Angst, ihn zu verletzen.“
    „ Sei nicht albern. Für wen, glaubst du, hat er das alles aufbewahrt? Sollte deine Mutter wirklich dieses Kleid an ihrem ersten Tag getragen haben, wird ihn das bewegen. Das heißt aber nicht, dass es ihm missfallen wird. Ich hänge es wieder auf, morgen kannst du es anprobieren. Und nach deinem Geburtstag werden wir hier alles aussortieren.“
    Mit dem Negligé in der Hand flitzte ich schnell auf mein Zimmer. Ich legte es zwischen frisch gewaschene Kleidungsstücke, damit es ihren Geruch annahm. Anschließend begab ich mich ins Wohnzimmer, als sei nichts gewesen.
    So viele Dinge gingen mir durch den Kopf, ich konnte mich partout nicht auf die Unterhaltung der Männer konzentrieren. Da mein Geist längst abwesend war, zog ich mich irgendwann unter dem Vorwand zurück, ich hätte Kopfschmerzen. Bevor ich ins Bett ging, streifte ich noch schnell das Negligé meiner Mutter über. Dann kuschelte ich mich in die Decke und dachte an meinen Geburtstag, an meine Eltern, an Paris mit Yannick und selbstverständlich an Manuel, der mich äußerst neugierig gemacht hatte.
    Als Yannick später im Dunkeln unter meine Decke kroch, war ich immer noch wach. Er tastete nach meiner Schulter, liebkoste sie mit seinen Lippen und dem Hauch seines Flüsterns, das mich fragte, ob ich schlief. Wortlos wandte ich mich ihm zu.
    „ Was macht dein Kopf?“
    „ Ein Vorwand“, gestand ich mit einem Kuss.
    Seine Hand, die die glatte Faser ertastet hatte, ging auf Entdeckungsreise. Die Seide streichelte meine Haut, während seine Finger über die weiche Wäsche glitten. Sie berührten kurz meinen Schenkel, wanderten dann wieder langsam Richtung Dekolletee. Mein Herz pochte schneller, als sie dem Ausschnitt folgten und den Träger über meinen Arm gleiten ließen. Seine Lippen und sein Atmen an Hals und Schlüsselbein brachten mich zum Erbeben. Aber dann spürte ich das Gewicht seines Oberkörpers auf meiner Brust. Er lehnte sich zum Nachttisch, um das Licht anzuknipsen. Die Augen wollten sehen, was seine Finger bereits erkundet hatten.
    „ Bist du schön“, flüsterte er und fuhr fort, wo er in der Dunkelheit aufgehört hatte.
     

28
     

     

     

     

    Am nächsten Tag wachte ich allein in meinem Bett auf. Wieder einmal hatte ich nicht gemerkt, dass Yannick sich mitten in der Nacht rausgeschlichen hatte. Ein Blick auf meine Uhr verriet mir, dass es bereits neun war. Mich überkam die Lust, ihn zu wecken. Vorher wollte ich aber Manuel wissen lassen,

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