Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
Vom Netzwerk:
dich liebe.“
    Er ging in die Knie, um mir einen Kuss auf die Stirn zu drücken. Ich rieb den Kopf an seiner Schulter, ehe ich mich, flankiert von einer Löwin, in der Morgendämmerung tief in den Garten hineinschlich.
    Zusammen huschten wir am Stall entlang. Die Pferde mussten uns gerochen haben, denn wir konnten ihre Unruhe regelrecht wittern. Meine wuchs, als ich an der Ecke der Scheune auf Yannick warten musste. Als er endlich bei uns war, meldete er unsere Bereitschaft ins Telefon. Meine Ohren konnten sogar die geflüsterten Anweisungen von Philippe vernehmen. „Wir greifen zuerst an. Bleibt versteckt, bis ihr uns seht, damit sie nicht gewarnt sind. Ihr werdet ja länger ohne Deckung sein als wir. Viel Glück!“
    „ Euch auch.“
    Yannick steckte sein Handy wieder in die Tasche und zog nach einem kurzen Kraulen meines Fells zwei Schusswaffen aus seinem Gürtel.
     

    Die Eindringlinge wurden an zwei Fronten gleichzeitig angegriffen. Yannick ging geradewegs zur Veranda, die Raubkatze schlug die andere Richtung ein. Ich zögerte einen Moment, ihr zu folgen. Als ein Gewirr von Knurren und Fauchen an meine Ohren drang, sorgte ich mich um Yannick. Doch seine Waffen blitzten vor meinem inneren Auge – er war nicht wehrlos, würde keinen an sich heranlassen. Philippes Befehl hallte in meinem Kopf. Ich folgte ihm.
    Als ich vorne ankam, waren wir fünf gegen sieben. Der Anblick von Manuel in seinem schwarzen Pelz, der Seite an Seite mit einem Leoparden vier Wölfen gegenüberstand, schaltete die Sicherung in meinem Kopf ab. Jeglicher Gedanke an Yannick verschwand. Nur noch das hier und jetzt zählte. Ein Wolf sah mich mit hasserfüllten Augen an und näherte sich langsam mit gefletschten Zähnen. Ich durchbohrte ihn mit Blicken, was mich nicht daran hinderte zu sehen, wie die Löwin dem zweiten Leoparden zu Hilfe kam. Zu meiner Rechten waren sie nun zwei gegen zwei, vor mir nur noch drei gegen zwei. In der Mitte das Tier, das sich immer noch vorsichtig auf mich zubewegte und … Alain, der sich fluchend und mit schnellen Bewegungen seiner Kleidung entledigte, als hätte er nur auf mein Kommen gewartet, um sich zu verwandeln. Entweder machte er sich nicht bei jedem die Pfoten schmutzig, oder er hielt mich für eine leichte Beute.
    War ich das? Eine leichte Beute ohne jegliche Kampferfahrung. Als Rudelführer dürfte Alain ein Kämpfer sein – zumindest kein Feigling. Aber verdammt noch mal, ich war eine Raubkatze! Und die erwachte vollständig in mir in dem Moment, als Alain in Wolfsgestalt auf mich zusprang. Seine Augen sagten mir, dass er vorhatte, das zu beenden, was er sich eine Woche zuvor vorgenommen hatte, als hätte er noch eine Rechnung offen. Ich witterte seine Wut, seinen Hass und eine Spur von … War das Angst? … Unsicherheit? Es gab mir jedenfalls Mut. Angriff ist bekanntlich die beste Verteidigung, also sprang ich ihn an. Ihn auf den Boden zu werfen war in Anbetracht meines Gewichtes keine große Sache. Der andere Wolf, der sich bis dahin wie in Zeitlupe vorsichtig genähert hatte, griff mich von hinten an. Der Feigling hatte nur auf eine Ablenkung gewartet, um sich an mich heranzumachen. Er versuchte mich am Hals zu packen. Ich spürte, wie seine Zähne meine Haut streiften, er bekam mich aber nicht richtig zu fassen.
    Ich drehte mich um, um ihn abzuwehren. Mein Hals war mir heilig, denn ich trug an diesem Tag keine schützende Mähne. Zornerfüllt biss ich kurzerhand in das Erste, was sich mir bot: seine Schnauze. Während er vor Schmerzen wimmerte, spürte ich ein Stechen: Fangzähne hatten sich in meinen Oberschenkel gebohrt. Alain hatte sich wieder gefangen und in meinem Fleisch festgebissen … So fest, als wollte er einen Muskel herausreißen. Er ließ nicht einmal los, als Schüsse hinterm Haus fielen. Ein Fauchen des Schmerzes entglitt meiner Kehle. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie der Leopard, der mir am nächsten stand, Alain ansprang. Im Nu umschlossen seine Kiefer dessen Kehle. Mit dieser Rückendeckung konnte ich meine ganze Aufmerksamkeit wieder auf den anderen Wolf richten.
    Dieser hatte aber bereits die Flucht ergriffen. Ich erwog kurz, ihn zu verfolgen. Meine Verletzung ließ es nicht zu. Die kleinste Bewegung tat höllisch weh und mein Bein konnte mich kaum tragen. Fauchend vor Schmerz ließ ich mich in einen dunklen Schleier wie einen Sack fallen … Alles wurde schwarz.
    Plötzlich eine Höllenqual! Irgendwer pulte in meinem offenen Fleisch. Mit Mühe hob ich den Kopf

Weitere Kostenlose Bücher