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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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konnte sie schließlich doch überreden. Sie blieb leider nicht so lange, wie ich es mir erhofft hatte. Sie wollte Antoine nicht ewig warten lassen. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich ihn zum Teufel gejagt, und sie später nach Hause gefahren. Sie schien sich aber in meiner Gegenwart nicht richtig wohlzufühlen, ihr schlechtes Gewissen vermutlich. Wir mussten dringend miteinander reden, denn ich war kein bisschen böse auf sie. Dafür war ich einfach zu glücklich.
    Yannick und Manuel gaben den Anschein, sich ausgezeichnet zu verstehen, als wären sie zwei alte Freunde. Ob mein Geburtstag sie nähergebracht hatte? Oder war ihre Beziehung nur entspannter, weil Manuel jetzt mit Aurelie ging? Wie auch immer, zu meiner Überraschung beschlossen sie, dass wir am nächsten Tag zusammen ausreiten würden. Yannick bot Damien an, uns zu begleiten. Der junge Mann, der kaum ein Wort geredet hatte, lehnte dankend ab. Er musste am nächsten Morgen in aller Frühe den Zug nehmen, um seine Mutter zu besuchen.
    Mein Vater, der bei Wasser geblieben war, wirkte auf mich nüchterner. Als es dunkler wurde, zündete Manuel Fackeln an, die rings um den Tisch im Rasen steckten.
    Yannick hatte eine ausgezeichnete Idee gehabt, als er die Musik für den ganzen Abend aufgenommen hatte. Ich hatte ihn zwar am Nachmittag vermisst, dafür wich er jetzt kaum noch von meiner Seite. Für jeden Geschmack war etwas dabei. Oder fast, denn bei Jazz und Klassik hatte er sich nicht bedient. Wie vermutet, gab es vorwiegend Rockmusik, ich erkannte Rocklegenden wie die Rolling Stones und Creedence Clearwater Revival. Es gab auch Rock ’n’ Roll, zur Freude von Laurence, die mich zum Tanzen aufforderte, aber auch Reggae und Salsa, was die Frauen, insbesondere Anna, entzückte. Ein paar Balladen durften selbstverständlich auch nicht fehlen.
    Bei den ersten Noten von
Wicked Game
von Chris Isaak lud mich Yannick zum Tanzen ein. Ich war glücklich, wieder in seinen Armen zu sein, denn diese Distanz, die er in der Gegenwart meines Vaters bewahrte, war mir unbehaglich.
    „ Ich habe dieses Lied oft gehört, als ich versucht habe, mich von dir zu lösen. Wie du siehst, ohne Erfolg, es hat das Gegenteil bewirkt. Du machst mich wahnsinnig, Lilly. Ich liebe dich über alles.“
    Gegensätzliche Empfindungen ergriffen meinen Körper. Meine Haut zitterte unter seinen Berührungen, während seine Wärme sich in meinem Inneren ausbreitete.
    „ Ist dir kalt?“
    „ Nein, küss mich!“
    „ Bist du sicher?“
    „ Absolut! Küss mich oder ich schreie.“
    Unsere Lippen verschmolzen. Ich gab mich seinen Zärtlichkeiten hin und vergaß alles um uns rum, bis er mit einem Flüstern dieses Glücksgefühl zerstörte: „Dein Vater beobachtet uns.“
    „ Soll er doch gucken! Ist mir egal.“
    Mein Mund traf auf seinen, die Magie war aber verschwunden. Ich konnte spüren, wie die Blicke meines Vaters auf Yannick lasteten. Also lehnte ich meinen Kopf an seine Schulter und versuchte diesen Moment dennoch zu genießen.
    Irgendwann hörte ich in meinem Rücken: „Erlaubst du?“ – Papa!
    Eigentlich musste er sich an mich gewandt haben, denn meines Wissens hatte er Yannick das Du nicht angeboten. Nichtsdestotrotz fühlte sich mein Freund angesprochen. Mit zusammengepressten Lippen machte er einen Schritt zur Seite und ließ mich augenblicklich los, um meinem Vater Platz zu machen. Oh je, ich würde gleich eine Predigt zu hören bekommen.
    „ Ich hoffe, du verzeihst mir, wenn ich eure Zweisamkeit störe. Vermutlich wirst du noch öfter die Gelegenheit haben, mit Yannick zu tanzen. Für uns ist das eine Premiere und wer weiß, ob sich das noch einmal anbietet. Wir haben uns ganz schön bloßgestellt vorhin, was?“
    „ Kann man wohl sagen, vor allem ich mit meinen Tränen … Trinkst du wieder Whisky?“, fragte ich zögerlich.
    „ Wieso? Torkele ich so sehr?“
    „ Nein, du stinkst aber ziemlich nach Alkohol.“
    „ Entschuldige, Spatz! Ich glaube, ich wollte mir Mut antrinken, um mit dir zu reden. Wegen den anderen brauchst du dir keine Sorgen zu machen, sie werden sich mehr den Mund über mein Verhalten zerreißen als über deine Tränen.“
    „ Ich schätze, die meisten wissen, dass es am Kleid lag.“
    „ Es steht dir ausgezeichnet. Ich bin froh, dass du es trägst. Sicher wäre es besser gewesen, wenn du mich darauf vorbereitet hättest. Schon komisch … Ich hätte nie gedacht, dass dein achtzehnter Geburtstag mich so mitnehmen würde. Ich habe dich nicht

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