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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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Lethargie herausgeholt und ich habe keine Lust mehr, mich wieder in meinem Haus zu verkriechen.“
    „ Oh, Oma! Du hast keine Ahnung, wie glücklich du mich machst“, sagte ich mit Tränen in den Augen und stürzte mich in ihre Arme. „Und das meine ich nicht wegen Paris.“
    „ Ich weiß, Lilly. Ich weiß. Was deinen Vater betrifft, werde ich mich darum kümmern, sobald ihr weg seid. Ich muss aber wissen, ob du das wirklich willst.“
    „ Natürlich will ich das. Ich wünsche es mir von ganzem Herzen … Zweifelst du echt daran?“
    „ Reine Formalität. Ich möchte deinen Vater nicht umsonst traumatisieren. Du musst dich jetzt fertigmachen.“
    „ Heiliger Strohsack! Du hast Recht, es ist schon spät. Ich frage mich, wie ich es die ganzen Jahre ohne dich geschafft habe. Ich liebe dich.“
    „ Geh, sonst fange ich an zu heulen.“
    Ich drückte einen Kuss auf ihre Wange und wollte aus der Küche, doch sie rief mich zurück.
    „ Lilly, zeig mal deine Narbe … Autsch! Gut geheilt, aber ganz schön groß“, stellte sie fest, nachdem ich meine Jogginghose runtergelassen hatte.
    „ Ja, ein Grund mehr, um nicht mit Papa nach Spanien zu gehen. Ich renne die ganze Zeit mit nackigen und makellosen Beinen rum, und von einem Tag auf den anderen habe ich eine riesige Narbe, die aussieht, als wäre sie vor Jahren entstanden. Kannst du mir verraten, wie ich ihm das erklären soll?“
    „ Unmöglich! Da hast du Recht.“
     

    Die Warterei war unerträglich, sie raubte mir den letzten Nerv. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht an den Fingernägeln zu kauen. Zum ersten Mal seit Jahren waren sie wieder lang. Mir wurde gerade bewusst, dass ich kein einziges Mal daran geknabbert hatte, seit ich Yannick kannte. Noch ein Zeichen, dass er mir gut tat. Dank ihm hatte ich wieder schöne Hände. Mehr als das, dank ihm fand ich mich überhaupt attraktiv. Innerhalb kurzer Zeit war aus einem Entlein ein Schwan geworden. Schon verrückt, was es ausmacht, begehrt zu werden. Ein paar Wochen zuvor hatte sich kein Mensch für mich interessiert, am allerwenigsten mein eigener Freund, und nun hatte ich drei Verehrer. Na ja, auf den einen hätte ich gerne verzichtet, der war mir sogar unheimlich, aber auf Yannick …
    „ Eliane Fabre!“
    Halleluja! Endlich war ich an der Reihe. Nach dem Gesichtsausdruck des jungen Manns, der mir entgegenkam, zu urteilen, hatte er die Prüfung nicht bestanden.
    „ Nicht geschafft?“, fragte ich mitfühlend, als ich mich dem Auto näherte.
    „ Ich kann nur sagen ‚Stopp‘. Viel Glück!“
    „ Danke! Tut mir Leid für dich.“
    Anscheinend war die Quote fifty-fifty. Mathematisch gesehen musste ich demnach bestehen. Ich atmete tief durch, ehe ich in den Wagen stieg.
    Der Fahrlehrer lächelte mich mit Zuversicht an. Beim ersten Stopp dachte ich an meinen Vater und hörte ihn in meinem Kopf sagen,
anhalten, bis drei zählen, weiterfahren
. Es stimmte schon, dass ich oft dazu neigte, gleich loszudüsen, denn irgendwie fand ich die meisten Stoppschilder überflüssig und kein bisschen gerechtfertigt. An diesem Tag machte ich natürlich eine Ausnahme, ich wartete jedes Mal brav und zählte bis drei. Papa war ebenfalls der Meinung, ich würde viel zu wenig in den Rückspiegel gucken, also versuchte ich, öfter als sonst reinzuschauen. Das Mittelmaß zu finden war eigentlich das Schwierigste. Am Ende würde ich noch durchfallen, weil ich mich nicht genügend auf die Straße vor mir konzentrierte, oder – viel schlimmer – der Prüfer bildete sich ein, ich mache ihn an. Irgendwann sollte ich links abbiegen, also setzte ich den Blinker, schaute in den Rückspiegel, eine kurze Drehung mit dem Kopf, um mich zu vergewissern, dass sich kein Fahrzeug im toten Winkel befand und … toll! Da stand ich auf dem Eck eines Grundstücks. Welcher idiotische Landschaftsplaner war hier am Werk gewesen? Welche linke Straße war denn gemeint, die links vom Grundstück oder die rechte? Immerhin befand sich die ja auch links von mir.
    Wenn schon, denn schon: Ich entschied mich für ganz links. Ein Fehler, wie es sich herausstellte. Ich hätte lieber nachfragen sollen, denn der Fahrlehrer war da anderer Ansicht gewesen und riss das Lenkrad nach rechts. War der denn noch zu retten?! Und das bei einer Fahrprüfung! Letztendlich war es ja egal, welche Straße gemeint war. Ich war so erschrocken, dass ich zu zittern anfing und – was noch entsetzlicher war – ich spürte ein Kribbeln im ganzen Körper. Die Hände verkrampft

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