Im Morgengrauen
am Lenkrad kämpfte ich dagegen an. Ich würde mich doch nicht verwandeln. Doch nicht jetzt. Nicht hier.
Tief einatmen
, ermahnte ich mich. Kein Grund zur Panik, es gab überhaupt keine Gefahr. Alles war gut … oder fast, denn nach dieser Darbietung konnte ich mir den Führerschein abschminken. Der war jetzt zweitrangig. Nur eins zählte: Ich musste Lilly bleiben, mit Armen und Beinen. Am liebsten hätte ich die Flucht ergriffen, riss mich aber zusammen, um nicht auszusteigen. Ein Sprung nach draußen hätte womöglich die Löwin befreit, und schließlich befand sich die Fahrschule, sprich mein Roller, ziemlich weit weg. Ich zwang mich, sitzen zu bleiben und versuchte mir einzureden, Yannick wäre bei mir und würde seine innere Ruhe auf mich übertragen. Der Gedanke allein hatte nicht die Wirkung seiner Haut auf meiner, er schaffte es trotzdem, mich ein wenig zu beruhigen.
„ Fräulein Fabre, alles klar?“
„ Ja“, log ich.
Dabei war überhaupt nichts klar. Ich hätte am liebsten diesen Blödmann angeschrien, fuhr aber wieder los, ohne ihn anzugucken. Zumindest war die Katze nicht ausgebrochen und so sollte es auch bleiben. Bald hätte ich alles hinter mir, denn so, wie es aussah, waren wir bereits auf dem Rückweg. Nachdem ich den Wagen vor der Fahrschule geparkt hatte, wurde ich gebeten, das Fahrzeug zu verlassen und draußen zu warten. Allem Anschein nach wollten sich die Herren beraten. Das hatten sie bei keinem anderen gemacht. Das lag bestimmt an der Aktion mit dem Abbiegen, was bedeutete, dass nichts entschieden war. Noch nicht. Also gab es noch einen Funken Hoffnung. Ich betete, dass ich durchkam, denn wie sollte ich den Führerschein in der Hauptstadt bestehen, wenn ich zu dusselig war, ihn auf dem Land zu packen?
Während ich wartete, wünschte ich mir meinen Ruhepol herbei. Bei der nächsten Prüfung würde ich Yannick auf jeden Fall mitnehmen. Ich steckte meine Hände in die Hosentaschen, um ja nicht an meinen Fingernägeln herumzukauen. Endlich stieg der Fahrlehrer aus dem Wagen und siehe da: Er strahlte über das ganze Gesicht. Als er mir die gute Nachricht überbrachte, fiel ich ihm um den Hals. Einerseits hatte er den Schmatz auf die Wange gar nicht verdient, andererseits hatte er mit Sicherheit ein gutes Wort für mich eingelegt, um sein unüberlegtes Eingreifen wieder glattzubügeln. Wie auch immer, ich war so glücklich, ich hätte sogar einen Fremden auf der Straße geküsst. Ich holte sofort mein Handy heraus, um meine Freude mit meinem Vater zu teilen. Der eröffnete mir, dass er uns zur Feier des Tages am Abend ins Restaurant einladen wollte.
Meine Großmutter und Marie waren erfreut, die gute Nachricht zu hören. Wenn es nach meiner kleinen Schwester gegangen wäre, wären wir sofort in den Wagen gestiegen, um eine kleine Spritztour zu machen.
„ Ein anderes Mal, ich möchte Yannick wecken.“
„ Hattet ihr Sex?“
„ Nein“, antwortete ich verdattert. „Es geht dich sowieso nichts an. Ich hätte gern, dass du in Zukunft das Thema nicht mehr anschneidest, und schon gar nicht vor Papa. Du brauchst nicht noch Salz in die Wunde zu streuen.“
„ Wieso? Es kann ihm doch egal sein.“
„ Ist es aber nicht.“
„ Glaubst du, der ist eifersüchtig?“
„ Was weiß ich?! Keine Ahnung! ... Nein, nicht wirklich … oder doch? Wie auch immer, es ist uns unangenehm, also lass das bitte.“
„ Okay! Aber mir könntest du es trotzdem sagen. ICH bin nicht eifersüchtig, ich finde das sooo romantisch.“
„ Träum du nur weiter!“, neckte ich sie und rannte die Treppe hoch.
Im Zimmer ging ich auf Zehenspitzen zum Bett und setzte mich behutsam auf die Kante. Yannick schlief immer noch. Ich beugte mich zu ihm runter, um ihn mit zarten Küssen zu wecken. Ehe ich begreifen konnte, was mit mir geschah, lag ich auf dem Rücken, Yannick auf mir sitzend. Meine Überraschung war so groß gewesen, ich hatte einen Schrei losgelassen, der sofort mit einem Kuss erstickt wurde. Sein Atem roch nach Menthol, er hatte sich kürzlich die Zähne geputzt. Ein leidenschaftlicher frischer Kuss, der die Lust in mir aufsteigen ließ. Als sich sein Mund mit meinem Hals befasste, bat ich ihn, mich loszulassen. Er guckte mich ungläubig an, seine Hände hielten meine Handgelenke immer noch fest.
„ Da ist nicht dein Ernst, oder?“
Seine Lippen berührten meine Schläfe, mein Ohr, meinen Hals. Alle meine Härchen standen zu Berge.
„ Doch, gib mir zehn Sekunden“, sagte ich widerwillig.
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