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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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kleinen Flügelschlägen flog ich durch die offene Terrassentür hinein und gelangte ungesehen in mein Zimmer, wo ich meine menschliche Gestalt wieder annahm.
    Ein Stein fiel mir vom Herzen, das Ganze war mir ohne großes Aufsehen gelungen. Der einzige Zeuge meiner Metamorphose war Damien gewesen, ich würde ihm nie verzeihen, dass er mich zu dieser Verwandlung genötigt hatte. Geladen rannte ich wie eine Furie die Treppe runter. Auf dem Weg zum Stall ermahnte ich mich, mich zu beruhigen. Ich hatte sowieso nicht vor, dem Typ noch einmal gegenüberzutreten. Weder heute, noch morgen, und ich konnte meinen Frust nicht an anderen ablassen. Ich sollte am besten gleich auf mein Pferd steigen und davonreiten.
    Paco wartete brav an der Koppel angebunden, aber keine Spur von Aurelie. Anna sagte mir, sie hätte sie zum Haus geschickt, weil sie dachte, ich würde dort sein. Ich rannte, was das Zeug hielt, holte sie aber erst ein, als sie die Veranda betrat. Damien kam von der anderen Seite, durch die Küchentür. Aurelie, die von der Missstimmung noch nichts mitbekommen hatte, begrüßte uns mit einem Strahlen. Ich antwortete kurz und knapp, während ich Damien mürrisch meine Kleidung aus den Händen riss. Seine Augen zeigten noch mehr Verwunderung als am Vortag. Ohne ein Wort starrten wir uns an. Meine Pupillen gifteten ihn an, während seine rätselten. Mit einem Räuspern brach Aurelie das Schweigen.
    „ Ich vermute mal, dass du nicht mit uns reiten willst.“
    Gut geraten, dachte ich nur.
    „ Nein, Pferde und ich vertragen uns nicht wirklich. Ich bezweifle sowieso, dass Lilly Wert auf meine Anwesenheit legt.“
    „ Richtig erfasst!“, sagte ich aggressiv.
    Ehe ich meine Sachen auf die Fensterbank legte, zog ich aus der Hosentasche das Freundschaftsband, das Aurelie mir am Vorabend geschenkt hatte.
    „ Es fehlt was“, stellte ich grantig fest. „Ich hätte gerne mein T-Shirt wieder.“
    Damien stand regungslos da, erwiderte nichts, entschuldigte sich auch nicht … weder für sein Verhalten noch für das fehlende Kleidungsstück, von dem ich mich wohl verabschieden konnte.
    Aurelie zuliebe versuchte ich einen freundlicheren Ton anzuschlagen. „Komm, wir gehen.“
    Verdattert folgte sie mir nach draußen und lief schneller, um mich einzuholen.
    „ Mir scheint, ich habe schon wieder etwas verpasst. Was war denn das für ein Auftritt?“
    „ Nichts. Er nervt mich, das ist alles.“
    „ Wie kann er dich nerven? Er macht ja kaum den Mund auf.“
    „ Heute hat er eine Ausnahme gemacht. Leider! Lass uns über etwas anderes reden, okay? Hast du etwas von Manuel gehört?“
    „ Nein, und du von Yannick?“
    „ Nein, sonst hätte ich nicht gefragt. Ich wollte ja nicht indiskret sein.“
    „ Wie kommt es, dass Manuel ihn begleitet hat?“, wollte sie wissen.
    „ Keine Ahnung. Ich habe noch geschlafen, als sie losgefahren sind“, log ich.
    Um das Thema abrupt zu wechseln, stelle ich mich mit einem breiten Grinsen vor sie und wedelte mit dem Armband.
    „ Kannst du es mir dranmachen? Wie du siehst, habe ich es nicht vergessen.“
    „ Ja … war mir schon aufgefallen.“
    Der Sarkasmus in ihrer Stimme war mir nicht entgangen, ich machte mir aber nicht die Mühe, mich zu rechtfertigen. Sollte sie glauben, was sie wollte. Glücklicherweise hatte Anna den genialen Einfall, uns zu begleiten. Das kam mir entgegen, denn so musste ich keine unangenehmen Fragen befürchten.

33
     

     

     

     

    Ich war noch auf dem Hof, als Yannick anrief, um zu sagen, dass sie gut angekommen waren. Es tat gut, seine Stimme zu hören, mir wurde aber auch schmerzhaft bewusst, wie sehr er mir nach nur ein paar Stunden fehlte. Wäre dies in Zukunft immer so, oder lag das an der Gefahr, in der er schwebte? Die Angst um ihn nagte an mir und ich wünschte, ich könnte mich an seine Seite beamen lassen, um mit ihm dem Rat gegenüberzutreten. Ich konnte an nichts anderes mehr denken. Die Ungewissheit, was sich sechshundert Kilometer weiter weg abspielte, machte mich wahnsinnig.
    Auch später konnten mich weder mein Vater noch meine Großmutter noch Marie auf andere Gedanken bringen. Wir waren gerade zu Tisch gegangen, als das Telefon klingelte. Mein Herz setzte kurz aus, um dann regelrecht zu rasen, als ich feststellte, dass der Anruf von Manuel kam. Mit Tränen in den Augen stand ich auf. Wieso rief Yannick nicht selber an, wenn mit ihm alles in Ordnung war? Ich rechnete schon mit dem Schlimmsten. Sobald ich weit genug von der Terrasse war, um

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