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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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noch besser inhalieren zu können. Um die Stille im Raum und die Fülle von Gedanken in meinem Kopf entgegenzuwirken, hörte ich die Musik, die er eigens für mich aufgenommen hatte. Viele Lieder hatten wir bereits gemeinsam gehört, andere wiederum waren mir neu, wie JJ Grey & Mofro und Delta Spirit. Ich war von den Songs so angetan, dass ich sie immer wieder laufen ließ.
    Irgendwann im Halbschlaf spürte ich Liebkosungen auf Mundwinkel und Wangenknochen. Als ich die Augen aufmachte, begrüßte mich Yannicks Lächeln.
    „ Hallo Süße! Habe ich dir so sehr gefehlt?“ Er zeigte auf sein T-Shirt.
    „ Mehr als das“, antwortete ich mit einem Kuss.
    Er befreite mich von meinem MP3-Player und fragte nach meinem Bein.
    „ Ich bin ganz ordentlich gezeichnet“, sagte ich und schob dabei die Decke zur Seite.
    Seine Finger streichelten die Narbe und er küsste sie, ehe er sich an mich schmiegte.
    „ Ab sofort verbiete ich jedem, sie zu berühren. Von nun an bin ich einzig und allein für sie verantwortlich“, flüsterte er mir ins Ohr.
    „ Willst du über das, was heute passiert ist, reden?“
    „ Es kann bis morgen warten, ich bin müde.“
    „ Dann halte mich einfach fest.“
    Das tat er auch, sobald ich das Licht ausgeknipst hatte. Seine Arme und Beine umklammerten mich so fest, ich konnte mich kaum noch rühren. Von ihm gefangen fühlte ich mich in Sicherheit und genoss seine Ruhe, die meinen Körper durchfloss. Langsam aber sicher übermannte mich wieder der Schlaf. Aber dann, aus heiterem Himmel, durchzuckte mich ein Gedankenblitz, schlagartig war ich wieder wach.
    „ Geh ja nicht in Maries Zimmer nachher, das Bett ist besetzt.“
    „ Habt ihr Besuch?“
    „ Besser: die Absolution meines Vaters.“
    „ So, so … deshalb gehst du mir nicht mehr an die Wäsche. Jetzt wo du die Erlaubnis von deinem Paps hast, hat Sex den Reiz des Verbotenen verloren.“
    „ Blödmann!“
    Eigentlich wollte ich mich drehen, ihn küssen, aber seine Umklammerung war so fest, ich hätte schon Gewalt anwenden müssen. Für solche Spielchen war ich zu müde und schnaufte ergeben.
    „ Ich liebe dich auch. Gute Nacht, Lilly!“
    „ Gute Nacht! Schlaf schön.“
     

    Um acht entriss mich Großmutter Morpheus’ Armen. Urlaub hin oder her, ich hatte ja eine Fahrprüfung. Ausgerechnet an dem Tag hätte ich mehr Schlaf gebrauchen können. Die Feier, die Madrugada, die Verletzung, das war alles ein bisschen viel gewesen.
    Als ich die Küche betrat, saß Papa am Tisch und frühstückte. Ich hätte wetten können, dass er Oma geschickt hatte, um mich zu wecken. Zu wissen, dass mein Freund in meinem Bett schlief, war eine Sache; zu sehen, wie wir Arm in Arm darin lagen, eine andere. Ich begrüßte ihn mit einem Kuss auf die Wange.
    Er erkundigte sich nach Yannicks Bruder, gab gute Ratschläge für die Fahrprüfung. Ich versprach, mein Bestes zu geben und anzurufen, sobald ich wusste, ob ich bestanden hatte oder nicht.
    Wie es sich herausstellte, hatte mein Vater tatsächlich meine Großmutter geschickt, um mich zu wecken. Ich konnte ihr nichts Neues berichten. Ich war nicht einmal in der Lage, ihr zu sagen, wann wir nach Paris wollten, nur dass es bald sein müsste, da Yannick seinen Untermieter vor der Abreise unbedingt sehen wollte. Wenn wir schon beim Thema Urlaub waren, fragte ich, ob sie mir helfen könnte, meinen Vater davon zu überzeugen, dass ich meinen Urlaub mit Yannick verbringen durfte.
    „ Spanien mit Papa im Nacken fände ich nicht so spannend. Außerdem möchte ich die Zeit, die mir mit Yannick bleibt, genießen, bevor die Schule wieder anfängt und wir getrennt werden.“
    „ Wie getrennt? Möchtest du nicht mehr zu ihm nach Paris ziehen?“
    „ Es geht nicht darum, was ich will oder nicht. Ich kann Marie nicht alleinlassen.“
    „ Marie wäre doch nicht allein. Ich würde selbstverständlich hierbleiben.“
    „ Du würdest hier mit Papa und Marie wohnen? … Für immer? Für mich?!“, fragte ich überrascht.
    Meine Eltern und später mein Vater allein hatten ihr mehrmals angeboten, bei uns zu leben. Sie hatte jedes Mal abgelehnt. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass sie sich eines Tages doch noch dazu entschließen könnte.
    „ Für dich, für Marie, für deinen Vater … aber auch für mich. Ich denke darüber nach, seit du davon sprichst, mit Yannick zusammenzuziehen. Je mehr ich darüber nachdenke, desto öfter komme ich zum Schluss, dass eine Veränderung mir gut täte. Ihr habt mich aus meiner

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