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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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ausdrücken – „er hat mich mehr oder weniger bedrängt.“ Ich konnte Yannicks Wut regelrecht spüren und versuchte es anders zu formulieren. „Eigentlich nicht wirklich. Ich fand ihn nur unheimlich.“ Als wäre er die Katze gewesen und ich die Maus, das sagte ich aber nicht. „Er stand vor der Tür, sodass ich nicht rauskonnte, und hat behauptet, dass ich bereits durch das Fenster entkommen wäre, wenn ich das wirklich gewollt hätte. Den Rest kannst du dir ja denken. Ich habe mich verwandelt und bin weggeflogen.“
    „ Der Mistkerl!“
    „ Beruhige dich, er ist jetzt weg“, flüsterte ich, und versuchte ihn mit Streicheleinheiten zu entspannen.
    „ Gut für ihn, sonst hätte er etwas von mir zu hören bekommen.“
    „ Wäre er noch da gewesen, hätte ich es dir gar nicht erzählt. Ich will nicht, dass du dich meinetwegen mit einem Gestaltwandler anlegst, schon gar nicht aus Eifersucht. Das kannst du nicht gewinnen.“
    „ Siehst du! Und dann wunderst du dich, dass ich Komplexe habe und dass ich befürchte, ich könnte nicht mithalten. Ich bin nicht einmal in der Lage, die Frau, die ich liebe, zu beschützen.“
    „ Erzähl doch keinen Unsinn! Natürlich kannst du das. Du hast es bereits getan und du darfst es gerne wieder tun. DU beschützt mich vor meinen Feinden, um Damien kümmere ICH mich.“
    „ Ich habe Angst, Lilly. Ich habe Angst, dass du eines Tages …“
    Mein Mund erstickte seine Befürchtungen. Allmählich konnte ich in mir spüren, wie sie dahinschwanden.
    „ Du bist eine Hexe“, meinte er schließlich.
    „ Sowas höre ich doch gerne. Ich liebe dich auch. Was machst du?“, fragte ich, denn er war aufgestanden.
    „ Ich ziehe mich an.“
    „ Das sehe ich. Wo willst du hin?“
    „ Frühstücken.“
    „ Es gibt bestimmt gleich Mittagessen. Du gehst nicht raus, ehe du mir erzählt hast, wie es gestern gelaufen ist.“
    „ Erzähle ich dir unten. Ich habe Hunger, und außerdem will es deine Großmutter bestimmt auch hören.“
    „ Wie ich sie kenne, ist sie bestimmt schon genauestens im Bilde, was man von mir nicht behaupten kann. Und wenn Marie unten ist, kannst du wieder nicht reden. Eine Kurzfassung würde mir schon reichen, und dann verrate ich dir zwei gute Neuigkeiten … drei sogar.“
    „ Das ist Erpressung.“
    „ Ja! Ich höre.“
    „ Okay, ganz schnell aber“, sagte er resigniert und setzte sich aufs Bett. „Der Rat behauptet, dass es die Initiative eines Rudelführers war. Die Älteren wollen von beiden Aktionen nichts gewusst haben. Sie konnten uns nicht ganz überzeugen, letztlich ist es aber auch egal. Wichtig ist nur, dass der Rat es als Notwehr betrachtet. Er will eine Untersuchung einleiten. Philippe hat den Herren klipp und klar gesagt, dass sie sich persönlich verantworten müssen, falls so etwas noch einmal passiert. Das nächste Mal würden wir nicht kommen, um zu reden. Wir waren über dreißig, sie gerade mal zu fünft. Du kannst mir glauben, man hat ihre Angst gesehen.“
    „ Ist das alles?“
    „ Du hast um eine Kurzfassung gebeten. Aber keine Sorge, ich habe nichts Wichtiges ausgelassen.“
    „ Und für dieses kleine Resümee musste ich eine Ewigkeit warten.“
    „ Essen!“, rief Marie im Flur, ohne an der Tür zu rütteln.
    „ Wir kommen“, rief ich zurück und stand auf.
    „ Jetzt bist du dran. Was sind die guten Neuigkeiten?“
    „ Nachher, lass uns runtergehen.“
    „ Nein, jetzt. Ganz kurz.“ Er richtete sich ebenfalls auf.
    „ Hast du nicht gesagt, du hättest Hunger?“
    „ Habe ich nicht schon mal gesagt, dass du ein Luder bist?“
    Er packte mich an der Hüfte und zog mich an sich.
    „ Andauernd. Und wenn es so weitergeht, werde ich es am Ende noch glauben. Aber ich bin ja gar nicht so … Eins verrate ich dir noch vor dem Essen. Wie ich meine Schwester kenne, wird sie am Tisch darüber reden. Mein Vater lädt uns ins Restaurant ein, es gibt etwas zu feiern. Rate mal was?“
    „ Keine Ahnung.“
    „ Meinen Führerschein.“
    „ Du hast die Fahrprüfung gemacht?“
    „ Ja, heute Morgen.“
    „ Wieso hast du nichts gesagt?“
    „ Ich habe einfach nicht mehr daran gedacht. Der Termin stand seit Wochen fest. Gut, dass mein Vater ihn gestern Abend noch erwähnt hat, sonst hätte ich ihn noch verpennt.“
    „ Herzlichen Glückwunsch!“
    Belohnt wurde ich mit einem Kuss.
     

    Am Tisch fragte meine Großmutter nach unseren Abreiseplänen. Yannick versprach, nach dem Essen mit seinem Freund zu sprechen, er hatte die Reaktion

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