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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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ich sehe, hast du Farbe bekommen.“
    „ Hi Dad! Schon gemerkt! Ich war so blöd, die Mittagspause in der Sonne zu verbringen. Morgen nehme ich den Sunblocker mit.“
    Bei ihm angekommen, küsste ich seine Wange.
    „ Ist ja nicht dramatisch. Morgen bist du bestimmt nicht mehr rot“, versuchte er mich zu trösten.
    „ Mag sein, die Sommersprossen werden aber bleiben.“
    „ Ja und? Sie stehen …“
    „ Halt!“, unterbrach ich ihn. „Ich weiß, was du sagen willst. Ich hole mir schnell etwas zum Trinken.“
    Zurück auf der Terrasse kühlte ich meine glühenden Wangen mit der eiskalten Flasche Gingerale. Ich saß noch keine Minute, als er das Thema anschnitt, das ihn so beschäftigte.
    „ Lilly, ich habe keine Ahnung, was zurzeit in dir vorgeht. Ich höre dir gerne zu, wenn du mit mir darüber sprechen willst. Ich weiß, dass ich deine Mutter nicht ersetzen kann, und wenn du dich mir nicht anvertrauen willst, hätte ich gerne, dass du wieder zu Frau Lacroix gehst. Das Ausreißen, die Albträume … das ist doch nicht normal.“
    Ich versuchte, ihn zu beruhigen: „Mach dir keine Sorgen, das ist nur so eine Phase. Nächste Woche gehe ich in Urlaub, das wird mich auf andere Gedanken bringen. Und sollte ich immer noch Albträume haben, wenn ich zurückkomme, verspreche ich dir, dass ich zum Doc gehe.“
    „ Okay, ich werde dich beim Wort nehmen.“
    Es folgte ein langes Schweigen. Ich spürte, dass er noch etwas auf dem Herzen hatte, und konnte mir vorstellen, was es war. Er sprach dann ganz langsam, als wollte er jedes Wort abwägen.
    „ Das … heute Morgen, … das ist mir sehr peinlich. Bitte entschuldige, wenn ich dich so angestarrt habe. Das warst nicht du, die ich sah, sondern deine Mutter: ihr Hemd, der Stein, den sie immer trug.“ Seine Augen wurden feucht.
    „ Schon gut. Dafür brauchst du dich nicht zu entschuldigen, das war mir schon klar. Soll ich das Hemd wegtun?“
    „ Bloß nicht! Ich habe den Eindruck, es hat dir gutgetan, damit zu schlafen. Aber das nächste Mal versuche bitte, es zuzuknöpfen. Und erspar mir den Anblick von dem Topas auf deinem Busen.“ Wieder machte er eine Pause, als überlegte er, ob er weiterreden sollte. „Es wird dir komisch vorkommen, aber ich habe deine Mutter nie ohne alles gesehen. Entblößt ja, aber nie wie Gott sie schuf. Sie hat immer diesen Stein getragen. Sie trug ihn schon an dem Abend, als ich sie kennenlernte, zu einem schwarzen Kleid mit einem gewagten Ausschnitt. Der Topas reflektierte auf ihrer gebräunten Haut. Ich war so fasziniert, dass ich meine Augen nicht mehr von ihr abwenden konnte … Ich muss dir lächerlich vorkommen, oder?“
    „ Überhaupt nicht! Es ist wahrlich nicht schwer sich vorzustellen, dass sich jemand in meine Mutter verliebt. Umso besser, dass du es warst, sonst wäre ich nicht hier. Außerdem bin ich mir sicher, dass du nicht der Einzige gewesen bist, der sie an diesem Abend anziehend fand.“
    Lächelnd fuhr er fort: „Der Topas war für sie kein Schmuckstück, er war selten sichtbar. Sie trug ihn immer direkt auf der Haut unter ihrer Kleidung. Nie durfte ein Stück Stoff dazwischenkommen. Verstehst du? Ich habe ihre Brust nie ohne ihn gesehen, der Stein gehörte einfach zu ihr.“
    „ Okay, wenn du das nächste Mal ins Bad kommst, und ich nackt bin, drehe ich mich um.“
    Obwohl er grinste, merkte ich, wie verlegen er war.
    „ Ich glaube, es wäre an der Zeit, Schlösser an den Türen anzubringen. Deine Mutter wollte nichts davon hören, sie hatte panische Angst vor geschlossenen Räumen. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte nicht einmal das Klo eine Tür, sie machte sie nie zu. Je kleiner der Raum, desto größer ihre Angst. Sie meinte, sie fühle sich wie in einem Käfig. Sie war so klaustrophobisch, sie konnte keinen Aufzug betreten. Einmal ist sie sogar achtzehn Stockwerke hochgelaufen. Manche Leute kaufen Schlösser für ihre Fensterläden, damit nicht eingebrochen wird. Ich musste Schlösser anbringen, um die Fensterläden an der Wand zu befestigen. Als ob jemand uns von außen hätte einsperren wollen! Eigentlich darf man das keinem erzählen.“
    Erneut folgte ein langes Schweigen. Ich unterbrach es, um auf seinen Vorschlag einzugehen: „Was mich betrifft, brauchst du nichts zu unternehmen. Ich bin ein bisschen wie Mama, ich mag keine verschlossenen Türen. Außerdem hätte es heute Morgen nichts geändert. In drei, vier Jahren wird Marie vielleicht ihre Intimsphäre haben wollen… –
Ich hatte damals

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