Im Morgengrauen
und einkuschelte, meinte er: „Dann steh auf! … Oder ich klaue dir die Decke.“
Mit zugeknöpftem Hemd sprang ich auf die Füße und lief zu ihm, um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken.
9
Insgesamt verliefen die darauf folgenden Tage eher gut, vor allem in Anbetracht meiner Bestrafung. Ich verbrachte viel Zeit mit Manuel, konnte dennoch meine Ängste verdrängen. Er blieb körperlich gesehen meistens auf Abstand. Nur meistens. Einmal haben wir … habe ich die Kontrolle verloren. Es begann mit einer Neckerei bezüglich der Psychologin. Ehe es mir recht bewusst wurde, rangen wir miteinander im Heu. Als ich unter ihm lag und er rittlings auf mir meine Arme auf den Boden drückte, durchlief eine Hitze meinen Körper. Sein Lächeln verschwand plötzlich aus seinem Gesicht, er schaute mir tief in die Augen. Als der Druck seiner Hände nachließ und sein Kopf meinem immer näher kam, ertönte in mir die Alarmglocke. Höchste Zeit für die Notbremse! Mit einer erschreckenden Leichtigkeit warf ich seinen schwereren Körper herum. Nun saß ich auf Manuel. Ich wollte gerade meinen Sieg feiern, als dieses Feuer in mir wieder aufloderte. Manuel hatte seine Hände auf meine nackte Haut gelegt. Wie von Sinnen machte ich es ihm nach, ließ meine Finger unter sein T-Shirt gleiten. Seine Muskeln fühlten sich gut an. Ich wollte sie sehen, wollte ihm sein Oberteil über den Kopf ziehen. Diese Hitze! Manuel sah mich kurz überrascht an, kam mir dann zu Hilfe, indem er sein T-Shirt selbst über den Kopf zog. Was machte ich denn da?! Etwas, das ich auf keinen Fall wollte. Entsetzt stand ich auf und rannte weg.
Zu Hause ging ich unter die kalte Dusche. Eine Abkühlung war genau das, was ich brauchte. Was war denn das gewesen? Diese Hitze, die aus dem Nichts gekommen war. Noch nie hatte ich Derartiges gespürt. Unter dem kalten Wasser verschwand sie allmählich, ich bebte aber immer noch innerlich. Die Lust hatte animalisch auf mich gewirkt. Und sein Blick! Wie er mich angestarrt hatte! Total verwirrt … total verwirrend.
Ich war gerade dabei, mich abzutrocknen, als das Telefon klingelte. Marie kam ins Bad und reichte mir den Hörer.
„ Manuel“, sagte sie überrascht.
Kein Wunder, wir telefonierten kaum, und schon gar nicht auf dem Festnetz.
Schweigend nahm ich das Telefon und wartete.
„ Lilly?“
„ Ja.“
„ Willst du darüber reden?“, seine Frage kam zögerlich.
„ Auf keinen Fall!“, und sofort legte ich auf.
Am nächsten Morgen wartete er wieder mit seinem Roller vor meiner Haustür. Langsam und beschämt ging ich zu ihm. Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Mit einem kleinen Lächeln fragte er, ob er keinen Kuss bekäme. Schweigend berührten meine Lippen seine Wange.
„ Lilly, bitte … Verdirb uns nicht die letzten Tage. Vergiss, was gestern geschehen ist. Nächste Woche kann jeder von uns dazu Abstand gewinnen. Komm, steig auf … Bitte.“ Er flehte mich regelrecht an, mit der Stimme, mit dem Blick.
Resigniert stieg ich hinter ihm auf. Kaum lagen meine Arme um ihn, verpufften meine Befürchtungen. Ihn festzuhalten tat mir einfach gut. Alles, was mich seit dem Vortag so aufgewühlt hatte, schwand allmählich dahin. Der Drang zu fliehen war weg. Wieder fürchtete ich mich vor meiner Abreise. Ich durchlebte ein regelrechtes Wechselbad der Gefühle.
Mit einem schlechten Gewissen gegenüber meinem Dad verbrachte ich fast den ganzen Samstag mit Manuel. Schließlich hatte ich Hausarrest, und es gab einen beträchtlichen Unterschied zwischen einer Stunde Reiten und einem ganzen Tag im Pferdestall des Nachbarn. Da wir uns fast zwei Wochen lang nicht sehen würden, hätte mein Vater erwarten können, dass ich zu Hause blieb. Ich verdrängte meine Bedenken, denn strenggenommen, würde ich den ganzen nächsten Tag mit ihm auf engstem Raum verbringen.
Der Abschied war feucht. Die lange Umarmung von Anna entging nicht ihrem Sohn, der uns verdutzt anguckte. Sie reichte mir ein Lederband für den Topas und bat mich, auf mich aufzupassen. Sie fügte hinzu, sie sei immer für mich da und ich solle nicht zögern, sie anzurufen, wenn irgendetwas wäre.
„ Habe ich etwas verpasst?“, fragte Manuel perplex, als wir wieder allein waren.
„ Wie bitte?“, stellte ich mich dumm.
„ Na ja, euer Abschied. Ist das nicht ein wenig übertrieben? Man könnte meinen, sie trennt sich von einer Tochter, die sie so schnell nicht wiedersehen wird.“
Ich versuchte eine
Weitere Kostenlose Bücher