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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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baff.
    „ Ja, ich habe eine Schwäche für amerikanische Autos und Maschinen … Bei den Frauen stehe ich allerdings auf Französinnen.“
    Ich überging die Bemerkung, musste aber doch zugeben: „Schöner Wagen!“
    „ Finde ich auch. Ich habe eben einen guten Geschmack“, sagte er, während er mich musterte.
    Langsam wurde mir die Situation richtig unangenehm. Zu meiner Erleichterung öffnete er endlich den Kofferraum des Wagens. Dabei fiel mir das Pariser Nummernschild auf. Demnach war er auch nicht aus der Gegend.
    „ Wir haben Glück, ich habe sogar einen Zündkerzenschlüssel dabei.“ Er kniete sich neben mein Mofa und fing an, daran rumzuwerkeln. „Wie ich es mir dachte: Die ist total verrußt. Ich wundere mich, dass du den Motor überhaupt angekriegt hast.“ Er ging wieder zum Kofferraum, holte einen Lumpen und einen kleinen Schraubenzieher heraus. „Ich mache den gröbsten Dreck weg, sie sollte aber richtig gereinigt werden. Der Motor im Übrigen auch“, meinte er mit einem kritischen Blick. „Wohnst du in Oyonnax?“
    „ Nein, bei Bellecombe.“
    „ Wie bitte?! Du bist fünfundzwanzig Kilometer durch die Berge damit gefahren?“ Er war fassungslos. „Du kannst froh sein, dass der Motor nicht verreckt ist. Wenn du willst, kann ich dich nach Hause bringen, ich muss in die gleiche Richtung.“
    „ Nein danke. Ich fahre lieber mit dem Mofa, wenn es funktioniert. Als ich klein war, sagte mir meine Mutter, ich solle nicht in das Auto von Fremden einsteigen“, erwiderte ich neckend.
    „ Und jetzt, wo du ein großes Mädchen bist, gehst du lieber das Risiko ein, in einer bergigen Pampa voller Werwölfe mit deinem Mofa stehen zu bleiben.“
    „ Genau!“ Witzbold.
    „ Nein, jetzt mal im Ernst: Hast du ein Telefon bei dir?“
    „ Ja.“
    „ Dann gebe ich dir meine Nummer, für alle Fälle. Solltest du eine Panne haben, kannst du mich anrufen. Hast du einen Kuli?“
    „ Nein.“
    „ Gib mir dein Handy, damit ich meine Nummer einspeichern kann.“
    Sonst noch was! Das konnte ich schon selbst machen. Kaum hatte ich es rausgeholt, schon riss mir der Fremde das Telefon aus der Hand.
    Pro forma fragte er: „Du erlaubst doch, oder?“
    „ Spielt das eine Rolle?“
    „ Eigentlich nicht!“, antwortete er knapp. Strahlend gab er Zahlen ein, murmelte, er hätte sich vertippt. Mit einem prüfenden Blick gab er mir schließlich das Handy zurück. „Du zögerst hoffentlich nicht, mich anzurufen, wenn du ein Problem hast. Ich werde noch eine Weile in Oyonnax bleiben, ich muss noch ein paar Sachen erledigen. Und falls du morgen oder später jemanden brauchst, der deine Maschine auf Vordermann bringt, hast du meine Nummer. Ich schraube gerne und würde mich freuen, dich wiederzusehen.“
    Ohne auf meine Antwort zu warten, drehte er sich zu meinem Mofa um und ließ den Motor laufen.
    „ Bitte schön!“ Mit einer Geste lud er mich ein, mich draufzusetzen.
    „ Danke!“
    Ich war ihm wirklich dankbar … heilfroh sogar, seine Nummer zu haben, nur für den Fall. Er klopfte mir auf den Helm, wünschte mir eine gute Fahrt, knallte den Kofferraum seines Wagens zu und ging zu Fuß weiter.
     

    Dank ihm kam ich ohne Panne nach Hause. Als ich meiner Großmutter von den mechanischen Schwierigkeiten berichtete, drängte sie darauf, den Motor überholen zu lassen. Ich versprach, mich darum zu kümmern. Es war ohnehin in meinem Interesse, ein zuverlässiges Fahrzeug zu haben.
    Allein in meinem Zimmer ertappte ich mich dabei, an den Schönling zu denken, und das ärgerte mich kolossal. Wie konnte ich einem Aufreißer, der so arrogant war, so viel Aufmerksamkeit schenken? Andererseits war er auch hilfsbereit gewesen und er war mir in den letzten zwei Minuten fast sympathisch gewesen. Er schien aufrichtig zu sein, als er sich sorgte … Oder war das nur ein Vorwand gewesen, um mir seine Telefonnummer zu geben? Falls er dachte, ich würde ihn anrufen, hatte er sich geschnitten. Da konnte er warten, bis er schwarz wurde.
    Obwohl ich mir geschworen hatte, Manuel nicht jeden Tag anzurufen, musste ich seine Stimme hören. Er sollte mir helfen, den anderen zu vergessen. Innerlich musste ich über mich selbst den Kopf schütteln. Am Tag davor hätte ich viel darum gegeben, dass mich jemand von Manuel ablenkte – und was machte ich jetzt? Ich benutzte ihn, um von dem Fremden loszukommen. Vielleicht sollte ich wirklich zum Psychologen gehen. Bei dem Gedanken griff ich zum Telefon.
    Der Anruf brachte rein gar nichts, ganz im

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