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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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über Nacht weiß geworden. Der Schock ohne Zweifel. Kein Wunder nach dem Verlust zwei geliebter Menschen innerhalb so kurzer Zeit. Ihre Falten zeichneten sich tiefer in ihre Haut, trotzdem konnte man sehen, dass sie einst sehr schön gewesen sein musste. Eigentlich war sie das immer noch.
    Kaum hatte mein Vater den Wagen zum Stehen gebracht, sprang Marie raus, um sich ihr in die Arme zu werfen. Ihr Lächeln hatte etwas Trauriges. Es war nicht mehr so offenherzig wie vor dem Tod ihres Mannes und ihrer Tochter.
    „ Guten Tag Eric! Hallo Lilly!“, sagte sie, als sie uns küsste. „Hattet ihr eine gute Fahrt?“
    „ Hallo Oma!“
    „ Guten Tag, Eliane. Es war viel los auf der Straße. Wir haben fast neun Stunden gebraucht. Ich bin froh, mir endlich die Beine vertreten zu können.“
    Mein Vater nahm unsere Koffer, ich seine Tasche und wir gingen hinein.
    „ Ich habe die Zimmer gemacht, ich wusste allerdings nicht, wo du schlafen willst, Marie, solange dein Vater da ist. Bei Lilly auf einer Matratze oder bei mir im Bett?“
    „ Bei dir, wenn es dir nichts ausmacht.“
    „ Ganz im Gegenteil, ich freue mich. Irgendwann wirst du aber nicht mehr bei deiner alten Oma schlafen wollen.“
    „ Das glaube ich nicht.“
    „ Oh doch! Das ist der Lauf der Dinge. Aber bis dahin lass dir ruhig Zeit mit dem Wachsen. Übrigens, Manon hat zwei Stunden auf dich gewartet. Sie war enttäuscht, dich nicht angetroffen zu haben. Sie kommt aber morgen früh wieder.“
    „ Supi!“
    Marie war ganz aufgeregt und ich erleichtert. Da sie eine Freundin haben würde, brauchte ich mich nicht um sie zu kümmern. Ich hatte mir vorgenommen, den Montag mit meiner Großmutter zu verbringen und am Dienstag nach Oyonnax zu fahren.
    „ Hast du immer noch das alte Mofa? Ich möchte in die Stadt zur Bücherei und zur Buchhandlung. Ich hatte diese Woche keine Gelegenheit, mir Lektüre zu besorgen.“ Dabei guckte ich den Schuldigen an.
    „ Klar, in der Scheune. Du kannst versuchen, es anzubekommen. Wenn es läuft, rufe ich die Versicherung an.“
    Wir räumten noch unsere Sachen aus und tranken einen alkoholfreien Aperitif, bevor wir zum Restaurant fuhren.
    Mein Vater hatte unbedingt Essen gehen wollen. Als er vor dem Gasthaus „Zum Jäger“ hielt, erblasste meine Großmutter. Papa, dem es nicht entgangen war, fragte, ob sie sich nicht wohlfühle.
    „ Es geht schon, danke.“ Ihr Ton aber sagte was ganz anderes.
    Wir traten ein und setzten uns an einen Tisch am Fenster. Die Einrichtung war sehr rustikal. Der Mann, der hinter der Theke ein Glas abtrocknete, warf uns vernichtende Blicke zu. Kaum saßen wir, kam er zu uns, das Geschirrtuch über der Schulter und ein Schild unter dem Arm.
    „ Tut mir Leid, wir können Sie heute Abend nicht bedienen.“
    Sein kalter Blick war auf meine Großmutter gerichtet. Mein Vater sah sich im Lokal um. Fast leer, also wandte er ein: „Sie scheinen aber nicht überfüllt zu sein.“
    „ Wir erwarten zirka vierzig Personen, wenn ich dann bitten darf …“
    Er nahm das Schild, auf dem „Geschlossen“ stand, in die Hand und zeigte damit auf die Tür. Schweigend begleitete er uns zum Ausgang, als wollte er sich vergewissern, dass wir auch wirklich wegfuhren.
    „ Also, sowas habe ich noch nie erlebt“, sagte mein Vater sichtlich aufgebracht. Er – sonst die Höflichkeit in Person – hatte sich nicht einmal verabschiedet. „Was schlagen Sie vor, Eliane? Sie kennen sich hier besser aus als ich.“
    „ Ich möchte am liebsten nach Hause gehen.“
    „ Das ist mir aber unangenehm. Schließlich wollte ich Sie ja einladen.“
    „ Wirklich Eric, ich möchte lieber nach Hause. Wir machen ein paar Nudeln, die Mädchen helfen mir.“
    Sie wandte sich uns zu, als erwartete sie unsere Unterstützung, die sie natürlich sofort bekam. Resigniert fuhr Papa zurück.
    Trotz des Vorfalls wurde der Abend doch noch schön. Wir spielten Rommee und lachten ziemlich viel. Obwohl … Omas Lächeln wirkte fast aufgesetzt, so als wollte sie uns den Zwischenfall vergessen lassen.
     

    Mein Vater verließ uns am nächsten Tag gleich nach dem Frühstück. Glücklicherweise kam Maries Freundin Manon kurz darauf, sodass meine kleine Schwester beschäftigt war. Endlich allein mit meiner Großmutter konnte ich ihr die Frage stellen, die mich seit dem Vorabend beschäftigte.
    „ Der Mann aus dem Gasthof … kennst du ihn?“
    „ Nicht persönlich, dein Großvater hatte Ärger mit dem Vorbesitzer. Ich glaube, er ist sein Sohn. Hier

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