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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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Stück gefallen, als ich erschrocken auf die Uhr sah. Hastig stapelte ich die Bücher auf, die sich auf meinem Tisch angehäuft hatten, und ging voll beladen zu einem Gang, um einige wieder einzusortieren. Plötzlich stieß ich mit jemandem zusammen. Ohne die Person anzuschauen, entschuldigte ich mich und fing an, die Bücher, die auf dem Boden gelandet waren, wieder aufzusammeln. Kniend sah ich zu, wie männliche Hände mit langgliedrigen Fingern mir halfen. Dann hörte ich seine Stimme: „Du hast es aber eilig!“
    Mein Kopf hob sich bei ihrem Klang. Meine Augen trafen seine. Er war so nah, dass ich nur noch dieses intensive Blau sah, das mich durchbohrte. Schnell schaute ich wieder auf den Boden und konzentrierte mich aufs Aufsammeln. Der Fremde, der ebenfalls ein paar Bücher hielt, richtete sich mit mir auf. Er lächelte dabei, ohne mich aus den Augen zu lassen. Als wir uns gegenüberstanden, stellte ich fest, dass er nicht viel größer war als ich, höchstens eins achtzig . Ich konnte jetzt sein ganzes Gesicht sehen, zumindest für einen Moment: feine Züge, eine schöne Nase, ein sinnliches Lächeln … und diese Augen … Sie konnten einem den Atem rauben. Ich war wie hypnotisiert.
    „ Die Lykanthropie oder die Verwandlung in einen Wolf“
, las er amüsiert. „Seltsame Lektüre für ein hübsches Mädchen in deinem Alter. Ich hätte auf Liebesromane getippt.“
    Am liebsten wäre ich im Boden versunken. Knallrot antwortete ich barsch: „Dann hättest du wohl verloren.“
    Ich wollte nach den Büchern greifen, die er noch in der Hand hielt. Als wir uns dabei berührten, spürte ich einen elektrischen Schlag und zog reflexartig den Arm zurück.
    „ Ich wusste, dass es zwischen uns funkt.“
    Was für eine selten blöde Anmache! … Und diese honigsüße Stimme dabei! Nee! Mein Blut kochte in den Adern. Langsam aber sicher brachte er mich auf die Palme.
    Um seinen Augen auszuweichen, richtete ich den Blick wieder auf den Boden und erwiderte: „Sie sollten den Teppichboden wechseln.“
    Nicht sehr originell, zugegeben, aber wenigstens hatten wir keinen Blickkontakt mehr. Schließlich zeigte ich auf die Bücher: „Kriege ich sie wieder oder willst du sie wegräumen?“
    „ Nein, danke.“
    Belustigt reichte er sie mir. Ich bedankte mich mit einem kleinen Kopfnicken und drehte mich um. Beim Gehen hörte ich ein „Auf Wiedersehen“, stellte mich aber taub. Ich spürte seinen Blick zwischen meinen Schulterblättern. Ich würde auf keinen Fall nach hinten schauen. Schnell brachte ich die Bücher, die ich nicht mitnehmen wollte, zurück ins Regal, und ging zur Ausleihe, um die vier Romane registrieren zu lassen.
    Draußen konnte ich wieder aufatmen. Leider nur für kurze Zeit, denn der Motor wollte nicht anspringen. Je länger ich vergeblich in die Pedalen trat, desto gereizter wurde ich. Verzweifelt und aufgebracht, wie ich war, hätte ich am liebsten geschrien.
    „ Kann ich dir helfen?“
    Oh nein! Ich erkannte die Stimme sofort und wandte mich um. Er stand lässig da, an die Wand gelehnt, die Arme gekreuzt. Er trug eine zerrissene Jeans, eine schwarze Lederjacke … und ein Lächeln auf den Lippen. Wie lange guckte er schon zu?
    „ Nein“, schoss es aus meinem Mund.
Nicht der
, dachte ich nur, bereute es aber sofort. Was war schon dabei? Hauptsache er konnte mir helfen, diesen Schrotthaufen zum Fahren zu bringen. Verlegen räusperte ich mich: „Doch, das wäre nett von dir.“
    Mit einem arroganten Lächeln kam er langsam die Treppe herunter.
    „ Hast du oft Probleme mit der Maschine?“
    „ Nein … Doch … Ich weiß nicht.“
    „ Ist es nicht deins?“
    „ Doch, ich bin aber monatelang nicht mehr damit gefahren. Als ich das letzte Mal hier in Urlaub war, hatte ich überhaupt keine Probleme.“
    „ Es ist bestimmt die Zündkerze. Ich habe Werkzeug im Wagen, nicht weit von hier“, er zeigte die Richtung. Da ich mich nicht rührte, fragte er: „Soll ich es für dich schieben?“
    „ Nein, nein. Danke. Das kann ich noch allein. Geh ruhig voran, ich komme schon nach.“
    Das tat er aber nicht. Ganz langsam setzte er einen Fuß vor den anderen und ging neben mir her, schaute mich dabei mit leicht gesenktem Kopf an, und grinste. Um seinem Blick zu entfliehen, lief ich schneller.
    „ Wo willst du hin?“, hörte ich ihn auf einmal hinter mir.
    Er hatte angehalten und stand, mit dem Schlüssel in der Hand, neben dem hinteren Kotflügel einer schwarzen Limousine.
    „ Ist das deiner?“, fragte ich

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