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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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umziehen. Du glaubst doch nicht, dass ich dich mit dieser Hose auf das weiße Sitzkissen lasse. Ich hole dir etwas Sauberes.“
    Ehe ich etwas einwenden konnte, schloss er mir die Tür vor der Nase zu. Nach ein paar Sekunden klopfte er und seine Hand erschien durch einen Spalt, um mir Anziehsachen zu reichen. Nun stand ich da, mit seinen Klamotten in der Hand, und fühlte mich einmal mehr überrumpelt. Zögernd ging ich unter die Dusche, musste aber gestehen, dass dies ein hervorragender Einfall gewesen war.
    Mit einer schwarzen dreiviertellangen Jogginghose und einem weißen Hemd kam ich aus dem Badezimmer, meine Haare in ein Handtuch gewickelt.
    „ Fühlst du dich jetzt besser?“, wieder streichelte er meine Wange.
    „ Viel besser, danke.“
    „ Was kann ich dir anbieten?“
    „ Einfach nur Wasser.“
    „ Ich habe noch einen Flammkuchen in der Kühltruhe. Der ist zwar groß, aber für zwei könnte es trotzdem knapp werden. Hättest du Lust auf etwas Bestimmtes?“
    „ Flammkuchen klingt gut. Ich habe gesehen, du hast noch Bananen. Falls wir nicht satt werden, können wir eine essen. Meinetwegen brauchst du jetzt wirklich nichts zu besorgen.“
    „ Dann werde ich jetzt unter die Dusche gehen.“
    Er legte eine CD von Bob Dylan ein, gab mir einen flüchtigen Kuss auf den Mund und verließ das Zimmer.
    Ich wollte mich gerade hinsetzen, als mir eine Pappschachtel im Regal auffiel. War das etwa der Karton voller Fotos, von dem er gesprochen hatte? Neugierig holte ich die Box und machte es mir auf dem Bett gemütlich. Sie war in der Tat voll mit professionellen Bildern. Viele waren schwarz-weiß. Ich erkannte sofort die Aufnahmen an der Felswand und ich wusste jetzt mit Sicherheit: Ich hatte damals irgendwo die Werbung gesehen. Die Tätowierung am Arm war auf manchen Bildern wegretuschiert. Es gab eine Serie, auf der er mit einer außerordentlich schönen Frau posierte. Sie hatte ein Gesicht, das man nicht so schnell vergisst … das Ebenbild von Cindy Crawford, nur ohne Muttermal. Ich legte die Abzüge in die Schachtel zurück, deckte mich zu und ließ mich von Bobs Stimme in den Schlaf wiegen.
     

    Zärtlichkeiten am Arm holten mich aus meinen Träumen. Als ich die Augen öffnete, saß Yannick mit freiem Oberkörper auf dem Bettrand und schaute mich liebevoll an.
    „ Entschuldige, wenn ich dich wecke. Ich hatte Angst, du könntest heute Nacht nicht mehr schlafen.“
    „ Hast du gut gemacht. Wie viel Uhr ist es denn?“
    „ Halb acht, ich habe den Flammkuchen in den Ofen geschoben.“
    Als ich seine Tätowierung am Arm streichelte, fühlte ich eine große Narbe.
    „ Was hast du da gemacht?“
    „ Ein Werwolf“, sagte er mit einer Grimasse.
    „ Hör auf, dich über mich lustig zu machen. Jetzt im Ernst.“
    „ Es war ein Hund.“
    „ Der muss aber groß gewesen sein.“
    „ Sehr groß. Du wirst aber zugeben, dass sie gut versteckt ist“, sagte er und fuhr währenddessen mit dem Finger über die Narbe.
    „ Hast du dich deswegen tätowieren lassen?“
    „ Vermutlich. Wie ich sehe, hast du die Bilder gefunden“, wechselte er das Thema.
    „ Ja, Entschuldigung. Ich wollte nicht herumschnüffeln. Du hast davon gesprochen und ich konnte nicht widerstehen.“
    „ Es ist schon in Ordnung. In meinem Zimmer darfst du deine Stupsnase überall reinstecken, ich mag es aber nicht, wenn man in den Sachen von meinem Vater stöbert. Falls du Bilder haben willst, kannst du dich ruhig bedienen, lass mir aber noch ein paar für meine Books.“
    Sein Blick fiel auf das obere Bild mit der Frau.
    „ Sie ist schön“, stellte ich fest.
    „ Sehr schön“, sagte er leise.
    Mit einem melancholischen Blick nahm er das Foto in die Hand.
    „ Bedeutet sie dir viel?“
    „ Nicht mehr“, entfuhr es ihm und er legte dabei das Bild zurück. „Wir haben zwei Jahre zusammengelebt. Sie hat mich für einen reichen Industriellen verlassen. Mann, der Typ könnte ihr Vater sein. Ich habe fast ein Jahr gebraucht, um damit fertigzuwerden.“
    „ Das tut mir Leid.“
    „ Das braucht dir doch nicht Leid zu tun. Hätte sie mich nicht verlassen, wärst du jetzt nicht hier. Außerdem bin ich drüber hinweg. Ich muss in die Küche, mal sehen, was der Flammkuchen macht.“
    Ich folgte ihm: „Kann ich dir helfen?“
    „ Du kannst den Tisch …“
    Er unterbrach den Satz unter meinen Berührungen. Ich hatte nicht widerstehen können, die Konturen des Vogels mit meinen Fingernägeln nachzuzeichnen. Als meine linke Hand sich auf seinem

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