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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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schließlich.
    „ Ganz sicher.“
    „ Bitte, mach mir die Freude“, flehte er mich an. Seine Wange und seine Lippen streiften meine Haut, während er unaufhörlich „bitte“ flüsterte. „Ich hätte so gerne ein Bild von unserem ersten Tag.“
    Wie hätte ich mich diesem Argument länger widersetzen können? Seine Unnachgiebigkeit siegte, ich gab einfach nach. Er holte den Fotoapparat raus, stellte sich neben mich, hielt das Gerät mit ausgestrecktem Arm von uns weg, und während wir uns anschauten, hörte ich, wie etliche Fotos geknipst wurden. Ich war glücklich, dass ich mich hatte überreden lassen. So wie er mich anschaute, hoffte ich von ganzem Herzen, dass wir beide darauf waren. Anschließend bat er mich, stehen zu bleiben, holte Seil und Klettergurt aus seinem Rucksack und lief zirka zehn Meter nach rechts zu einem Baum auf dem Hang. Nachdem er sich angeseilt hatte, ließ er sich so schnell ab, dass ich vor Schreck einen Schrei ausstieß und laut rief: „Er ist verrückt!“
    Als Yannick abrupt stoppte, hielt er sich praktisch waagerecht zur Wand. Die Hände an der Kamera sagte er am Seil hängend: „Spaghetti!“
    Ich schenkte ihm ein Lächeln und posierte wohl oder übel ein wenig. Wenn ihm so viel daran lag, dass er bereit war, sich dafür das Genick zu brechen, sollte er seine Bilder auch bekommen. Er kletterte wieder hinauf, nahm sich aus der Sicherung und kam zu mir. Mein Gesicht in seinen Händen flüsterte er ein kleines „Danke!“
    „ Du bist wirklich verrückt!“, konnte ich nur antworten.
    „ Ich weiß … nach dir.“ Erneut küsste er mich. Jedoch nicht so keusch wie in der Grotte, sein Mund nahm Besitz von meinem und ich hätte ihn am liebsten gar nicht mehr losgelassen. Er tat es aber irgendwann und fragte: „Wie willst du runter? So wie du hochgekommen bist oder mit dem Seil?“
    „ Ganz langsam, so wie ich hochgeklettert bin.“
    „ Okay, ich gehe vor. Ich muss aber zuerst meine Sachen einsammeln.“
    Runter vermied ich alle feuchten Stellen und kam ohne auszurutschen auf dem ersten Vorsprung an. Yannick wollte gerade zum Sockel weitergehen, als ich ihn festhielt.
    „ Stopp! Ich hätte auch gerne ein Bild von dir vor UNSEREM Wasserfall.“
    Lächelnd holte er seinen Fotoapparat wieder heraus und erklärte mir das Teleobjektiv. Ich war keineswegs überrascht festzustellen, wie natürlich er sich vor der Kamera bewegte.
    Wir liefen dann weiter den Berg hoch bis zu einem Aussichtspunkt auf der sonnigen Seite. Solch ein überwältigendes Panorama hatte ich noch nie gesehen: Das ganze Jura lag uns zu Füßen. Staunend nahm ich das unglaubliche Bild in mich auf. Yannick bot mir Wasser an sowie einen Müsliriegel. Anschließend ruhten wir uns auf dem Gras aus. In der Stille streichelte er meine Haare. Ich hätte mich ewig in seinen Armen von den Sonnenstrahlen wärmen lassen. Aber plötzlich meinte er, wir sollten aufbrechen, wir hätten schließlich noch einen langen Marsch vor uns. Es stimmte mich traurig, das Sonnenplätzchen hinter uns zu lassen, aber ob gleich oder später, irgendwann mussten wir zurück.
    Bergab legten wir Hand in Hand eine schnellere Gangart ein. Sobald ich ausrutschte, fühlte ich, wie ein starker Griff mich festhielt. Die meiste Zeit schwiegen wir. Unsere Blicke sagten alles.

15
     

     

     

     

    Als ich mich auf das Motorrad setzte, spürte ich einen Stich in meiner Brust. Manuels Bild ging mir durch den Kopf. Ich versuchte, es zu verdrängen. Ich fror. Ich wollte nicht zulassen, dass er sich zwischen uns stellte. Nichts und niemand hätte mich jetzt davon abbringen können, Yannick zu umarmen.
    In seiner Wohnung angekommen, gestand ich ihm, dass ich müde war und gar keine Lust hatte, essen zu gehen.
    „ Das macht nichts, ich werde schon etwas Essbares finden. Wenn nicht, gehe ich schnell einkaufen.“ Mit seinen Knöcheln strich er über meine Wange und nahm meine Hand. „Du bist ja ganz kalt. Lass uns etwas Warmes trinken. Möchtest du einen Kaffee?“
    „ Ein warmer Kakao wäre mir lieber.“
    „ Tut mir Leid, ich habe keinen Kakao, aber Milch.“
    „ Pfui Teufel, warme Milch!“
    „ Wie wäre es mit einer Tomatensuppe?“
    „ Nein danke, muss nicht sein“, ich zog die Nase kraus.
    „ Ich hab’s … du gehst jetzt ins Bad. Es gibt nichts Besseres als ein heißes Bad oder eine heiße Dusche“, grinste er zufrieden. Ich hatte keine Gelegenheit zu widersprechen, schon schob er mich vor sich her. „Keine Diskussion! Du musst dich sowieso

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