Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
Vom Netzwerk:
Großmutter. „Da habe ich noch ein wenig Zeit zu überlegen, was ich sonst noch brauche. Falls ihr irgendwelche Gelüste habt, nur zu. Ich freue mich über jede Anregung.“
    „ Crêpes“, schoss es aus Maries Mund.
    „ Wir können uns beim Spazierengehen Gedanken darüber machen“, meinte Manuel beim Aufstehen.
    Das war seine elegante Art zu sagen: „Wir gehen.“
     

    Als wir außer Sichtweite vom Haus waren, wollte er meine Hand nehmen. Ich wich ihm aus: „Nicht draußen, nicht hier.“
    „ Hast du Angst, dass er uns sieht?“
    „ Das glaube ich weniger, er verbringt jeden Morgen in seiner Garage. Ich habe es deiner Mutter versprochen.“
    „ Wie bitte?! Du hast es meiner Mutter versprochen! Ich fasse es nicht. Spinnt ihr jetzt total?! Was geht sie das überhaupt an?“
    „ Sie macht sich Sorgen. Ich habe ihr versprochen, dir in der Öffentlichkeit nicht zu nahe zu kommen.“
    Er drehte sich im Kreis, die Hände auseinander: „Was für eine Öffentlichkeit? Ich sehe niemanden. Ihr habt echt einen Knall.“
    Ich ließ mich überzeugen, dass meine Befürchtungen unbegründet waren, dass keine Menschenseele – und vor allem kein Wolf – da draußen lauerte. Bei jedem Schritt streifte seine Hand die meine. Plötzlich hielt ich an, das Motorrad stand wenige Meter vor uns, abgestellt.
    „ Ist das seins?“
    „ Ja“, bestätigte ich blass und wollte umkehren.
    „ Wo willst du hin?“, fragte er mich und packte mich dabei am Arm. „Er weiß doch, dass ich hier bin, oder?“
    „ Ja.“
    „ Wo ist dann das Problem? Wir werden uns sicher nicht verkriechen, um deinem Freund nicht über den Weg zu laufen. Ich bin sowieso neugierig. Er anscheinend auch, sonst wäre er in seiner Garage geblieben. Also, die Mehrheit siegt.“
    Zielstrebig lief er weiter und ließ mich stehen. Zögerlich folgte ich ihm.
    „ Er ist bestimmt spazieren gegangen“, meinte er enttäuscht.
    „ Nein, er ist da. Er beobachtet uns.“
    Ich hob demonstrativ den Kopf. Dabei hatte ich seine Anwesenheit längst wahrgenommen. Yannick saß im Schneidersitz oben auf dem Felsen.
    „ Macht er Yoga?“
    „ Keine Ahnung. Ich würde es ihm zutrauen.“
    Als Yannick klar wurde, dass wir ihn entdeckt hatten, fing er an runterzuklettern.
    „ Ist er auch eine Katze? Hat er etwa sieben Leben?“
    „ Er mag es gefährlich.“
    „ Na dann … Die Hoffnung stirbt zuletzt!“ Ich fand ihn geschmacklos und boxte ihn in den Bauch. Überrascht machte er einen Satz nach hinten und rief: „Hey, geht’s noch?“
    „ Pass auf, was du sagst.“
    „ Entschuldigung. Ich habe nur laut gedacht.“
    Wir waren gut zwanzig Meter vor der Wand stehen geblieben. Unten angekommen kam Yannick langsam auf uns zu. Sein Blick ruhte kurz auf Manuel und konzentrierte sich dann auf mich. Seine blauen Augen waren so eindringlich, dass ich in Verlegenheit geriet. Zur Begrüßung gab es nur einen flüchtigen Kuss. Dass er mir dabei den Hintern streichelte, dürfte Manuel nicht weiter aufgefallen sein. Einen Moment sah es so aus, als wollte Yannick ihm die Hand schütteln. In letzter Sekunde überlegte er es sich jedoch anders. Was ich ihm, bei dem Blick, den Manuel ihm zuwarf, nicht verdenken konnte. So begrüßten sie sich recht kühl.
    „ Ich dachte mir, dass ihr kommt, ich habe ein Kletterseil dabei, falls ihr euch an die Wand wagen wollt.“
    „ Nein danke, ein anderes Mal. Es sei denn, du möchtest es versuchen, Manuel.“
    „ Nee, sicher nicht. Das ist nicht mein Ding.“
    „ Tja… dann gehe ich lieber“, meinte Yannick, der sich wahrscheinlich wie das fünfte Rad am Wagen vorkam. „Rufst du mich an, Lilly?“
    Ich nickte mit einem Lächeln. Wieder spürte ich seine Hand auf meinem Allerwertesten, als er einen Kuss auf meine Schläfe drückte. Er verabschiedete sich von Manuel mit einem „Tschüss“ und ging, ohne noch einmal über die Schulter zu schauen.
    „ Er sieht aus, als wäre er einer Modezeitschrift entsprungen, dein Yannick.“
    „ Vielleicht ist er das. Es ist noch lange kein Grund, ihm solch vernichtende Blicke zuzuwerfen.“
    „ Ich habe ihn nicht so angeguckt, weil er ein Schönling ist, sondern weil ich nicht mag, wie er dich angafft. Er hat dich regelrecht mit den Augen ausgezogen. Giert er danach, das zu sehen, was er schon kennt, oder versucht er nur, sich vorzustellen, was deine Kleidung verbirgt? … Hat er dich schon in die Kiste gekriegt?“
    „ Manu!“
    „ Alles klar! Hättest du nicht mit ihm geschlafen, wüsste ich es

Weitere Kostenlose Bücher