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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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jetzt.“
    Er wandte sich ab und lief zum Haus.
    „ Komm zurück, Manuel! Lass mich nicht so stehen! … Wenn du nicht zurückkommst, gehe ich zu ihm. Hast du gehört?“
    Das war das Letzte, was er wollte, sodass er augenblicklich stehen blieb. Nach ein paar Sekunden kam er langsam zurück und wischte mir eine Träne von der Wange ab.
    „ Ich bin derjenige, der weinen müsste ... Eine Frage und dann wechseln wir das Thema: Wie alt ist er, dein Yannick?“
    „ Fünfundzwanzig und höre auf, immer DEIN Yannick zu sagen.“
    „ Es wird mir helfen, ihn weiterhin unsympathisch zu finden … Und du behauptest immer noch, dass das Alter keine Rolle spielt?“
    „ Mehr denn je, ich liebe zwei Männer, die neun Jahre auseinander sind.“
    „ Na ja, den einen liebst du eindeutig mehr als den anderen. Hat er dich mit diesen Augen rumgekriegt? Hat er dich gleich beim ersten Mal so angeschaut?“
    „ Das sind aber viele Fragen.“
    „ Vergiss es! Ich kenne die Antwort sowieso. Pass auf, dass du dir die Flügel nicht verbrennst, Lilly. Er ist bestimmt ein Herzensbrecher.“
    „ Höre bitte auf! Du siehst auch gut aus und bist deswegen kein Casanova.“
    Wortlos, den Kopf gesenkt, lief er auf und ab und trat immer wieder in das Gras.
    „ Wie wär’s, wenn wir nach Hause gehen“, schlug ich vor. „Der Vormittag ist sowieso hin. Ich kann genauso gut einkaufen gehen.“
    „ Gute Idee. Oma hat mich eh gefragt, ob ich ihr helfen kann, den Speicher leerzuräumen. Ich soll den Sperrmüll runtertragen. Der Moment könnte gar nicht besser gewählt sein.“
    „ Irgendwelche Gelüste, wenn ich schon einkaufen gehe?“
    „ Soll das ein Witz sein? Mein Magen ist wie zugeschnürt.“
    Ein erdrückendes Schweigen begleitete uns nach Hause. Manuel würdigte mich keines Blickes und suchte auch keinen Körperkontakt mehr. Meine Großmutter runzelte die Stirn, als sie uns kommen sah. Die Spannung, die zwischen uns lag, fiel ihr sofort auf. Bei der ersten Gelegenheit fragte sie mich, ob wir uns gestritten hätten.
    „ Nicht direkt … Er hat Yannick kennengelernt.“
    „ Oh! Alles klar!“, sagte sie, als hätte sie damit gerechnet. Ich sah sie erstaunt an. „Man müsste blind sein, um nicht zu sehen, was Manuel für dich empfindet. Die ganzen Kilometer hat er sicher nicht für meine schönen Augen gemacht. Aber keine Sorge, er wird sich schon beruhigen. Er ist impulsiv. Geh du einkaufen, nimm dir Zeit. Ich bin mir sicher, dass er heute Nachmittag besser aufgelegt sein wird.“
    Noch machte Manuel keine Anstalten, nur ein Wort an mich zu richten. Mir war das Herz schwer, ich wollte nur noch eins: zu meinem Freund.
    Zuvor ging ich noch zur Metzgerei, für den Fall, dass sie pünktlich um zwölf zumachten. Als ich in Yannicks Gasse einbog, blieb ich entsetzt stehen: Das Garagentor war geschlossen. Ich fühlte schon, wie meine Augen feucht wurden, und betete, er möge zu Hause sein. Ich klingelte und wartete, und wartete … und ärgerte mich über mich selbst: Ich hätte anrufen sollen, um mich zu vergewissern, dass er da war. Irgendwie war es schon verrückt: Ich suchte Trost bei Yannick, weil er bei seinem Rivalen Eifersucht ausgelöst hatte. Nun wurde es mir unbehaglich. Wie konnte ich nur hierherkommen? Ich wollte gerade wieder gehen, als die Tür aufgerissen wurde. Ich wusste nicht mehr, was ich empfinden sollte: Erleichterung, Verlegenheit, Scham? Der Anblick seiner leuchtenden Augen, die mich mit derselben Wollust anschauten wie an der Felswand, ließ mich schließlich alles vergessen. Ohne ein Wort zog er mich an sich, machte die Tür zu und drückte mich mit einem leidenschaftlichen Kuss gegen sie. Meine Jacke, die er an meinen Armen entlanggleiten ließ, fiel samt Einkäufen auf den Boden. Er küsste mich … streichelte mich zärtlich mit seinen Fingerkuppen. Ich bekam Gänsehaut am ganzen Körper. Als seine Hände unter mein T-Shirt glitten, tobte bereits die Lust in mir. Yannick war gerade dabei, mich von meinem Oberteil zu befreien, als ein Hüsteln im Hintergrund ertönte.
    „ Entschuldigung, wenn ich störe. Ich muss aber raus.“
    Sein Mieter, den ich zum ersten Mal sah, zeigte verlegen mit dem Finger auf die Tür. Reichlich rot im Gesicht zog ich mein T-Shirt herunter und hob Jacke und Tüte auf, um ihn durchzulassen. Yannick, der immer noch kein Wort gesagt hatte, nahm mir lächelnd die Einkäufe ab, griff nach meiner Hand und führte mich zu seiner Wohnung. In der Küche deponierte er das Fleisch im Kühlschrank

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