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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Béchar
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Ich musste wissen, ob Manuel schon angekommen war. Als hätte er das gespürt, flüsterte Yannick in mein Ohr: „Ich liebe dich, vergiss das nicht.“
    Sein Atem und seine Berührungen ließen mich vibrieren. Ihm so nah zu sein, fühlte sich richtig an. Ich musste unbedingt seine Zweifel ausräumen, ehe er mich verließ.
    „ Wie könnte ich? Ich liebe dich auch.“
    Daran gab es keinen Zweifel: Ich wollte nicht mehr ohne Yannick sein. Dass Manuel womöglich hinter der Tür auf mich wartete, änderte daran gar nichts. Ich fragte mich nur, wie ich ihm das mit Yannick beibringen sollte.
     

    Noch blieb mir Zeit, die Sätze in meinem Kopf zu formulieren, zu drehen und zu wenden, denn noch war Manuel nicht da. Nach langem Warten aßen wir schließlich ohne ihn. Voller Sorge hatte Anna mehrmals angerufen. Sie hatte die Gelegenheit genutzt, um sich nebenbei nach meiner Tante zu erkundigen. Das plötzliche Interesse an Laurence machte meine Großmutter stutzig, sodass sie wissen wollte, ob es Probleme mit Manuel gab. Was Anna selbstverständlich verneinte.
    Kurz nach zehn Uhr kam er endlich. Meine Großmutter, die ihn zwei Jahre nicht gesehen hatte, umarmte ihn lange, als hätte sie Mühe, ihn wieder freizugeben. Sie war so gerührt, dass ihre Augen feucht wurden. Ich war ihre Enkelin und dennoch konnte ich mich nicht entsinnen, dass sie mir jemals einen solchen Empfang hatte zuteilwerden lassen.
    „ Madre mía! Lass dich anschauen! Bist du groß geworden!“
    „ Guten Abend, Eliane.“
    „ Eliane? Bin ich denn nicht mehr deine
Nana
oder ganz einfach
Oma
? Aber du hast Recht, du bist jetzt ein Mann.“ Bei diesen Worten konnte Manuel nicht widerstehen, mir einen schelmischen Blick zuzuwerfen. „Komm rein und ruf sofort deine Mutter an, sie macht sich Sorgen. Du musst einen Bärenhunger haben, ich mache dir etwas Warmes.“
    Als sie ihn zum Telefon schubste, sträubte er sich: „Vorher darf ich doch die Mädels begrüßen, oder?“
    „ Natürlich, entschuldige. Ich bin so glücklich, dich zu sehen.“
    Während sie zu ihrem Herd eilte, um das Essen warm zu machen, schüttelte Manuel amüsiert den Kopf: „Wie ich sehe, ist sie wieder gut drauf.“
    „ Alles nur dein Verdienst. Ich habe sie noch nicht so fröhlich gesehen, seit ich hier bin.“
    Zur Begrüßung küsste er Marie und mich auf die Wangen. Als er mich dabei am Arm streichelte, stellten sich meine Haare auf. Verlegen fragte ich, ob er nicht zu Hause anrufen wolle, und folgte meiner Großmutter in die Küche. Er kam sofort nach dem Telefonat nach und ging zielstrebig zum Topf.
    „ Hm! Riecht es hier lecker!“
    „ Chili. Extra für dich! Ich hoffe, du magst den immer noch.“
    „ Mehr denn je“, versicherte er ihr.
    Beim Essen erzählte er uns von seiner Odyssee mit Zug und Bus, per Anhalter und zu Fuß.
     

    Während Marie sich früh ins Bett meiner Großmutter schlafen legte, blieben wir drei ‚Großen‘ lange in der Küche sitzen. Gegen zwölf meinte Manuel, er wollte sich hinlegen, angeblich weil er von der Reise erschöpft war. Auf die Bitte meiner Großmutter brachte ich ihn auf sein Zimmer. Kaum dort angekommen war seine Müdigkeit verflogen. Er kam mir näher und fraß mich regelrecht mit den Augen auf. Mein Herz pochte in meiner Brust, ich ging ein paar Schritte zurück, bis ich die Matratze in den Kniekehlen spürte.
    „ Manu, es geht nicht …“
    Ich konnte den Satz nicht zu Ende sprechen, denn kaum hatte ich das Gleichgewicht verloren, lag er auf mir und küsste mich stürmisch. Mein Herz raste und ich versuchte, ihn von mir wegzustoßen, was schier unmöglich war. Neue Kräfte hin oder her, Manuel war eben nicht Yannick. Außerdem, je mehr ich mich wehrte, desto mehr erregte es ihn. Also verharrte ich regungslos, bald würde ihn das langweilen. Tatsächlich, sein Kuss verlor sofort an Leidenschaft, meinen Mund ließ er aber keineswegs frei. Knurrend unternahm ich einen neuen Versuch, ihn abzuwehren. Keine Chance! Schließlich sah ich keinen anderen Weg, als ihn zu schlagen, was seine Erregung aufs Neue entfachte. Entsetzt spürte ich, wie Lust in mir aufstieg. Das durfte doch nicht wahr sein! Ich schloss die Augen und Wärme machte sich in meinem Körper breit. Und was tat ich, statt mich zu fangen? Ich gab ihm, was er wollte, und küsste ihn … und wie ich ihn küsste. Komischerweise verspürte ich keine Gewissensbisse Yannick gegenüber. Ich hatte nicht das Gefühl, ihn zu betrügen, sondern nur Manuel etwas zu geben, das ihm

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