Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Namen der Engel

Im Namen der Engel

Titel: Im Namen der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Stanton
Vom Netzwerk:
Fußboden lag ein kleiner, zerschlissener, abgenutzter Orientteppich. Der braune Ledersessel war stellenweise so abgewetzt, dass die Unterschicht des Leders zu sehen war. Der grüne Glasschirm der Steh lampe wies merkwürdige parallele Kratzer auf, als sei jemand mit den Fingernägeln darüber gefahren. »Mein Onkel hat zwar in seinem Testament ausdrücklich festgelegt, dass ich seine Büromöbel NICHT benutzen soll«, räumte sie ein. »Aber ich habe ein knappes Budget. Entweder ich zahle Ihnen Ihr Gehalt, liebster Ronald, oder ich gehe bei Roche-Bobois einkaufen. Deswegen hab ich die Sachen hierher bringen lassen.«
    »Das war vielleicht keine Frage des guten Geschmacks«, warf Petru ein, »sondern entsprang dem Wunsch, Sie vorr dem Vermächtnis zu bewahren.«
    »Vor was für einem Vermächtnis?«, gab Bree scharf zurück.
    Ron sagte »ts, ts« und schüttelte den Kopf.
    »Meinen Sie damit seine Kanzlei?«
    Petru sah sie über den Rand seiner Brille hinweg an. »Ich meine das Vermächtnis des Kormorans.«
    »Könnten Sie das wohl näher erläutern?«, fragte Bree mit mehr Geduld, als sie zu haben glaubte. Dann hob sie gebieterisch die Hand. »Nein. Warten Sie. Ich hab’s. Es gibt Leute, die davonlaufen, Leute, die sich verstecken, und Leute, die sich mitten hineinstürzen, wenn die Situation brenzlig wird. Stimmt’s?«
    »Stimmt«, erwiderte Petru.
    »Nun, was dieses Vermächtnis betrifft«, sagte Bree in scharfem Ton, »so kann ich Ihnen versichern, dass die Beauforts vor niemandem davonlaufen.«
    »Haha«, meinte Petru mit düsterer Miene.
    »Haha?«, sagte Bree. »Was soll das denn heißen?«
    »Es soll heißen, dass Sie nichts derrgleichen über sich selbst wissen, bevor Sie nicht mehrr wissen, als Sie jetzt wissen. Das soll haha heißen.«
    Bree merkte, dass sie sehr südstaatlerisch wurde, was, wie Payton die Ratte zu seinem Leidwesen erfahren hatte, ein ausgesprochen schlechtes Zeichen war. »In meinem ganzen Leben …«, begann sie in unheilverkündendem Ton.
    Ron klatschte in die Hände. »Herrschaften! Herrschaften! Ich glaube«, fügte er diplomatisch hinzu, »das sind Dinge, die sich zu gegebener Zeit herausstellen werden. Deshalb sollten wir uns jetzt nicht in die Haare geraten. Lassen Sie uns mal zum Ausgangspunkt zurückkehren, Bree. Dieses Zimmer muss ein bisschen aufgepeppt werden. Genauer gesagt, das Zimmer und Sie müssen ein bisschen aufgepeppt werden. Die Zöpfe waren ein genialer Einfall, habe ich Ihnen das schon gesagt? Aber es gibt noch viel, viel mehr zu tun.«
    Bree zügelte ihr Temperament. »Wenn ich Sie mal darauf hinweisen darf – eines der Dinge, die es hier zu tun gibt, ist der erfolgreiche Abschluss dieses Falles.«
    »Wie wahr«, gab Ron unverfroren zurück. »Ich denke, das mit dem Aufpeppen können wir erst mal beiseitelassen.«
    »Das denke ich auch. Denn wozu sind wir schließlich da? Wir sind für unsere Klienten da. Wir sind Anwälte. Und ein weiteres Charakteristikum von uns Beauforts ist, dass wir für unsere Klienten gewinnen. So höflich, gerecht, anständig und clever, wie es nur menschenmöglich ist.«
    »Menschenmöglich«, wiederholte Petru. »Sehrr gutt.« Er legte seinen Stock auf die Knie und applaudierte.
    »Also lasst uns mal überlegen, wie weit wir mit dem Overshaw-Fall gekommen sind, ja?«
    »Sie haben gesagt, die einzigen beiden Leute, die Mr. Skinner ermordet haben können, seien sein Sohn und seine Schwiegertochter, aber es gebe keine Möglichkeit, das zu beweisen«, ergriff Ron das Wort. »Was Ms. Overshaw nicht sonderlich erfreuen dürfte.«
    »Glauben Sie ihr?«, fragte Petru unvermittelt.
    »Ob ich …« Bree verstummte mitten im Satz. »Tja …«
    »Denn wenn Sie ihrr nicht glauben, müssen Sie diesen Scheck zurückgeben«, sagte Petru voller Entschiedenheit, »und den Fall an jemanden weitergeben, der ihrr glaubt.« Einen Moment lang sah er so streng aus, wie Professor Cianquino es getan hatte, als Bree auf ganz ähnliche Weise an Liz Overshaws Zurechnungsfähigkeit gezweifelt hatte. Er räusperte sich entschuldigend. »Ich glaube, wir brrauchen nicht darüber zu befinden, ob es Mord war oder nicht. Aber ich denke, wir schulden Ms. Overshaw die professionelle Höflichkeit, an ihre Sache zu glauben.«
    Bree starrte ihn einen Augenblick an. Dann sagte sie langsam: »Denn wenn wir an ihre Sache glauben, sind wir imstande, zu ihrem Besten zu handeln. Sie haben absolut recht, Petru. Und ich hatte unrecht. Ich habe mich von der Tatsache, dass ich

Weitere Kostenlose Bücher