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Im Namen der Heiligen

Im Namen der Heiligen

Titel: Im Namen der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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gelassen hatte.
    »Ich dachte, er würde mir helfen, meinen Vater nach Hause zu bringen - wo er doch stets Rhisiarts Liebling war und ihn so gern mochte. Schon als Kind ist er in unserem Haus ein und aus gegangen wie in seinem eigenen.«
    »Vielleicht glaubt er, daß er nicht willkommen ist«, meinte Cadfael, »weil er etwas über Engelard sagte, das dein Mißfallen erregte.«
    »Aber danach hat er es wiedergutgemacht«, erwiderte sie so leise, daß nur Cadfael es hören konnte. Es war auch nicht nötig, vor allen anderen auszusprechen, was sie sehr wohl wußte - daß Peredur ihrem Liebsten zur Flucht verholfen hatte. »Nein, ich begreife nicht, warum er einfach davongelaufen ist, ohne ein Wort.» Mehr sagte sie nicht, bat Cadfael nur mit einem kurzen Blick, sie zu begleiten, als sie hinter die Bahre trat. Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her. Dann fragte sie, ohne ihn anzusehen: »Hat mein Vater euch alles gesagt, was er zu sagen hatte?«
    »Einiges - aber nicht alles.«
    »Gibt es irgendwelche Dinge, die ich tun oder nicht tun sollte? Ich muß es wissen, denn heute abend müssen wir ihm sein Festgewand anziehen.« Und morgen würden seine Glieder steif sein, wie sie sehr wohl wußte. »Wenn ich dir jetzt irgendwie helfen kann...«
    »Wenn du ihm die Kleider, die er jetzt trägt, ausgezogen hast - dann gib sie mir. Und achte darauf, an welchen Stellen sie feucht vom Regen und wo sie trocken sind.
    Wenn dir sonst irgend etwas auffällt, merke es dir. Morgen komme ich in dein Haus, sobald ich kann.«
    »Ich muß die Wahrheit herausfinden. Du weißt, warum.«
    »Ja, ich weiß. Aber heute abend besinge ihn und trink auf ihn, und bezweifle nicht, daß er deinen Gesang hören wird.«
    »Ja...« Sie seufzte tief auf. »Du bist ein guter Mann, und ich bin froh, daß du hier bist. Du glaubst nicht, daß es Engelard war?«
    »Ich bin fast sicher, daß er es nicht war. Erstens, und dies ist der wichtigste Grund - ich traue es ihm nicht zu. Burschen wie Engelard schlagen zwar zu, wenn sie wütend sind, aber nur mit den Fäusten, nicht mit Waffen. Zweitens, wenn er der Mörder gewesen wäre, hätte er es klüger angefangen. Du hast gesehen, in welchem Winkel der Pfeil in Rhisiarts Brust steckt. Ich denke, Engelard ist um drei Fingerbreit größer als dein Vater. Wie könnte er einen Pfeil so in die Brust eines Mannes schießen, daß der Schaft hinabzeigt - selbst wenn er weiter unten am Hang stünde. Auch wenn er in einem Busch gekniet hätte - ich bezweifle, daß dies möglich gewesen wäre. Und warum sollte er es versuchen? Das wäre doch albern. Außerdem - warum hat der beste Bogenschütze weit und breit den Pfeil nicht geradewegs durch Rhisiarts Brust geschossen - mag er auch noch so weit entfernt gewesen sein? Doch die Distanz kann in diesem dichtbewaldeten Gebiet höchstens fünfzig Meter betragen haben. Und noch etwas - kein guter Bogenschütze hätte sich eine so unübersichtliche Stelle ausgesucht. Aber der wichtigste Grund, der zu deines jungen Freundes Gunsten spricht - er ist zu ehrlich und aufrichtig, um einen Menschen aus dem Hinterhalt zu töten - selbst wenn er ihn hassen würde. Und er hat Rhisiart nicht gehaßt. Das brauchst du mir nicht erst zu sagen - ich weiß es.« Viele seiner Worte hätten ihr weh tun können, doch so war es nicht. Vielmehr errötete sie vor Freude, weil Cadfael nicht an ihrem Liebsten zweifelte.
    »Es scheint dich nicht zu verwundern, daß ich mich nicht darum sorge, was aus Engelard geworden ist.«
    Er lächelte. »Du weißt, wo er steckt und wie du mit ihm Verbindung aufnehmen kannst, wann immer es nötig ist. Ihr beide habt sicher noch bessere geheime Treffpunkte als die Eiche am Fluß, und an einem solchen Ort wird Engelard jetzt sein oder bald dort eintreffen. Du bist offensichtlich überzeugt, daß er in Sicherheit ist. Sag mir nichts, es sei denn, du brauchst einen Boten oder Hufe.«
    »Es wäre mir sehr gedient, wenn du einen Botengang für mich erledigen könntest, aber zu jemand anderem«, erwiderte Sioned.
    Sie erreichten das Ende des Waldes und Rhisiarts Felder. Prior Robert stand grimmig am Wegrand, umgeben von seinen Mönchen. Seine feierliche Miene, die gefalteten Hände, die Neigung des Kopfes drückten Respekt vor dem Tod und Mitleid mit den Trauernden aus - aber nicht mit seinem toten Gegner. Sein Gefangener war hinter Schloß und Riegel, und er wartete nur noch auf das letzte Schäfchen seiner Herde, um dann einen imposanten Abgang zu

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