Im Namen der Heiligen
begegnet wie in ihrem Schoß. Im Heiligen Land traf ich Sarazenen, denen ich eher vertraute als der breiten Masse der Kreuzritter - ehrliche, großzügige, höfliche Männer, die sich geschämt hätten, zu schachern und zu feilschen, wie es einige von unseren Verbündeten taten. Behandle jeden Menschen so, wie er es verdient, denn unter unseren Kutten oder Roben oder Lumpen sind wir alle gleich. Manche sind ein bißchen besser als andere, einige hatten mehr Glück im Leben, aber im Grunde gibt es kaum Unterschiede. Nun, soweit ich es sehe, hatte nur einer von uns - Bruder Richard - die Möglichkeit, sich ihn Rhisiarts Nähe aufzuhalten, als der Mord geschah, und ihm ist so ein Verbrechen am allerwenigsten zuzutrauen. Deshalb müssen wir den Kreis der Verdächtigen erweitern und uns fragen, ob die heilige Winifred nicht nur als Motiv für eine Tat dienen sollte, der eine ganz andere Ursache zugrunde liegt. Hatte Rhisiart irgendwelche Feinde in der Umgebung von Gwytherin? Gibt es da vielleicht Leute, die niemals auf den Gedanken gekommen wären, ihn anzugreifen - hätten wir nicht soviel Staub aufgewirbelt und sie in Versuchung geführt?«
Bened dachte angestrengt nach und nippte an seinem Wein. »Ich glaube nicht, daß auch nur ein einziger Mensch auf dieser Welt lebt, dem niemand etwas Böses wünscht. Aber der Weg von solchen Feindseligkeiten zum Mord ist weit. Einmal stritt sogar Vater Huw mit Rhisiart um ein kleines Stück Land. Die beiden kochten vor Wut, aber sie haben sich schließlich geeinigt, vor Zeugen aus der Nachbarschaft, und danach waren sie wieder gute Freunde. Es gab auch Gerichtsverhandlungen - oder kennst du einen walisischen Grundbesitzer, der noch nie vor Gericht gegangen ist? Einmal hat er mit Rhys ap Cynan wegen eines Grenzzauns prozessiert, ein andermal ging es um irgendwelche streunenden Tiere. Aber das war alles nicht schlimm genug, um blutige Rachsucht zu entfachen.
Unsereins genießt solche Gerichtsverhandlungen geradezu. Eins stimmt jedenfalls - nachdem ihr hier so großes Interesse erregt habt, wußte das ganze Tal samt Umgebung, daß Rhisiart heute mittag in Vater Huws Pfarrhaus erwartet wurde. Und dementsprechend groß ist der Kreis der Verdächtigen.«
Ja, dieser Kreis war groß - groß genug, um auch Engelard einzuschließen, und mochte Cadfael noch so fest von der Unschuld des jungen Mannes überzeugt sein. Groß genug, um auch Nachbarn wie Cadwallon einzuschließen, Leibeigene aus dem Dorf, Rhisiarts Diener...
Nein, dachte Cadfael, als er durch die grüne duftende Dunkelheit zu Huws Heuschober zurückging, der junge Mann, den Sioned als den Liebling ihres Vaters bezeichnet hat, kann es nicht gewesen sein. Peredur mochte Rhisiart, und er ging in dessen Haus aus und ein wie ein leiblicher Sohn. Und derselbe Bursche hatte von Engelard und sich selbst gesagt, die Liebe könnte einen zu wesensfremden Taten treiben. Vermutlich war es auch die Liebe, die Peredur bewogen hatte, Engelard zur Flucht zu verhelfen. Und nun ging er Sioned aus dem Weg, wies ihre Dankbarkeit und Zuneigung zurück -entweder, weil solche Gefühle nichts mit Liebe zu tun hatten und weil Liebe das einzige war, was er von ihr wollte, oder aus anderen dunkleren Gründen. Heute nachmittag war er in den Wald gerannt, als hätte ihn ein Dämon verfolgt. Aber doch nicht jener Dämon? Was das Ziel seiner Wünsche betraf - mit Rhisiart hatte er seinen treuesten Verbündeten verloren, der geduldig und beharrlich versucht hatte, seine Tochter zu einer Ehe mit dem Nachbarssohn zu überreden. Aber wie man es auch drehte und wendete - Peredur blieb ein beunruhigender, mysteriöser Bursche...
In dieser Nacht kam Vater Huw nicht aus Rhisiarts Haus zurück. Bruder Cadfael lag allein im Heu. Und da Bruder John in irgendeiner von Sioneds Scheunen eingeschlossen und sonst niemand da war, der die diversen Pflichten übernommen hätte, stand Cadfael zeitig auf, bereitete sich ein einfaches Frühstück und ging dann auf Beneds Weide, um nach den Pferden und Maultieren zu sehen. Es gefiel ihm besser, in der frischen Luft zu arbeiten, als dem Prior Gesellschaft zu leisten. Doch dann mußte er zurückkehren, da die Stunde des Kapitels nahte, das nach dem Willen des Priors auch hier tagtäglich abgehalten werden mußte, so wie in Shrewsbury - auch wenn es nur wenige Geschäfte zu besprechen gab.
Die fünf Mönche trafen sich im Obstgarten. Prior Robert führte den Vorsitz, wie gewohnt in feierlicher Würde.
Weitere Kostenlose Bücher