Im Namen der Heiligen
beschuldigen! Ich bin kein Mörder! Was ich tat, geschah erst, als Rhisiart schon tot war!«
Alle rangen nach Atem, und es klang wie ein Windstoß, der über die Lichtung und das offene Grab hinwegwehte, um dann in eine drückende Stille überzugehen. Lange Minuten verstrichen, bevor Vater Huw das Schweigen brach, denn dies war eins von seinen, nicht von Prior Roberts Schafen, ein Kind aus seiner Herde und bis jetzt ein unbescholtenes Kind, das sich nun irgendeiner schrecklichen Sünde bezichtigt hatte, die noch nicht offenkundig geworden war, aber anscheinend mit dem Mord zusammenhing.
»Mein Sohn Peredur«, sagte Huw mit fester Stimme, »niemand außer dir selbst hat dich einer bösen Tat beschuldigt. Wir haben nur darauf gewartet, daß du tun würdest, worum Sioned dich gebeten hat. Es war ein ehrenvoller Auftrag, den sie dir gab, und deshalb erfülle ihn - oder erkläre uns, warum du es nicht tun willst.«
Peredur hörte zu zittern auf. Eine Zeitlang kniete er noch im Gras, um nach Fassung zu ringen, dann ließ er die Hand sinken, die sein Gesicht bedeckte. Er war blaß und wirkte verzweifelt, aber auch irgendwie erleichtert, denn nun kämpfte er nicht mehr mit der Wahrheit, er hatte sich auf ihre Seite begeben. Er war ein mutiger junger Mann, und so stand er auf und blickte Huw in die Augen. »Vater, ich lege dieses Geständnis nur gezwungenermaßen ab und keineswegs mit frohem Herzen, denn ich schäme mich. Doch ich habe keinen Mord begangen. Ich habe Rhisiart nicht getötet. Er war schon tot, als ich ihn fand.«
»Wann war das?« fragte Bruder Cadfael, wozu er nicht das geringste Recht hatte, doch niemand nahm ihm die Unterbrechung übel.
»Ich ging in den Wald, als es zu regnen aufgehört hatte. Ihr wißt doch noch, daß es geregnet hat.« Sie nickten alle, denn jenen Tag würden sie nicht so bald vergessen. »Es war kurz nach Mittag. Ich wollte die Weide auf unserer Seite von Byrn aufsuchen, und da fand ich ihn auf der Lichtung. Er lag auf dem Bauch, und er war tot, das schwöre ich. Tiefe Verzweiflung überkam mich, aber auch eine Versuchung, denn es gab nichts mehr auf dieser Welt, was ich für Rhisiart hätte hin können, doch ich sah einen Weg...« Peredur schluckte und seufzte, wappnete sich gegen sein Geschick und fuhr fort: »Ich sah eine Möglichkeit, meinen Rivalen loszuwerden - den begünstigten Rivalen. Rhisiart hatte sich geweigert, Engelard seine Tochter zu geben, aber Sioned hatte Engelard nicht abgewiesen, und ich wußte, daß meine Liebe zu ihr hoffnungslos gewesen wäre, obwohl ihr Vater mir gewogen war, solange Engelard zwischen uns stand. Ich dachte, die Leute würden bereitwillig glauben, daß Engelard seinen Herrn getötet hat - wenn sie einen Beweis hätten... «
»Aber du hast es nicht geglaubt«, sagte Cadfael so leise, daß es kaum jemand hörte.
»Nein«, antwortete Peredur fast verächtlich. »Ich kannte ihn - er hätte so etwas niemals getan.«
»Und trotzdem wolltest du, daß man ihn beschuldigt und festnimmt. Es war dir einerlei, ob es der Tod sein würde, der ihn dir aus dem Weg räumt - solange er nur beseitigt war.«
»Nein, das nicht!« protestierte Peredur, wußte aber sehr wohl, daß er zu Recht angegriffen wurde. »Ich dachte, er würde davonlaufen, nach England zurückkehren und uns in Ruhe lassen, Sioned und mich. Was Schlimmeres habe ich ihm nicht gewünscht. Ich glaubte, wenn er weg ist, würde sich Sioned den Wünschen ihres Vaters fügen und mich heiraten. Ich hätte geduldig gewartet - jahrelang.«
Er sagte nichts davon. Aber es waren zumindest zwei Menschen anwesend, die es wußten und sich zu seinen Gunsten daran erinnerten, daß er für Engelard einen Fluchtweg freigemacht hatte in dem Kreis der Männer, die auf den Verdächtigen zugegangen waren, daß er ihn absichtlich hatte entkommen lassen, ebenso wie Bruder John - mit reinerem Gewissen - die Verfolgung vereitelt hatte.
»Aber du bist nicht davor zurückgeschreckt, einen Pfeil dieses unglücklichen jungen Mannes zu stehlen«, entgegnete Cadfael streng, »um aller Augen auf ihn zu lenken.«
»Ich habe ihn nicht gestohlen - wenn mich dies auch nicht von der Schuld freispricht, ihn auf so niederträchtige Weise benutzt zu haben. Eine Woche zuvor ging ich mit Engelard auf die Jagd, mit Rhisiarts Erlaubnis. Als wir unsere Pfeile einsammelten, steckte ich irrtümlich einen von seinen in meinen Köcher, und den hatte ich bei mir, als ich Rhisiart auf der Lichtung fand.« Peredurs Schultern hatten sich
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