Im Namen der Heiligen
gestrafft, sein Kopf war hoch erhoben. Resignierend ließ er die Arme hängen, seine rechte Hand umschloß immer noch Sioneds Kreuz. Sein Gesicht war bleich, aber gefaßt. Das Schlimmste hatte er hinter sich gebracht, und nach allem, was er in den letzten Tagen mutterseelenallein ausgestanden hatte, war das Geständnis eine Erleichterung. »Ich will euch alles genau erzählen und die Tat schildern, die mich in meinen eigenen Augen zu einem Ungeheuer verwandelt hat. Es war eine grauenvolle Tat, die ich nicht beschönigen will. Rhisiart war hinterrücks erstochen worden, der Mörder hatte den Dolch wieder aus der Wunde gezogen und mitgenommen. Ich drehte Rhisiart auf den Rücken, und ich schwöre euch, meine Hände brennen noch jetzt - aber ich tat es. Er war tot - er spürte nichts mehr. Ich durchbohrte mein eigenes Fleisch - nicht seines. Die Richtung der Wunde konnte ich feststellen, denn der Dolch hatte ihn geradewegs durchdrungen, wenn die Brustwunde auch sehr klein war. Ich vergrößerte sie mit meinem Dolch, dann steckte ich Engelards Pfeil hinein, damit er gegen ihn Zeugnis ablegte. Und seither habe ich keine ruhige Minute mehr, weder bei Tag noch bei Nacht.« Dies erwähnte er nicht, um Vergebung zu erflehen. Er war vielmehr froh, daß er sein Schweigen nun gebrochen, seine Infamie offenbart und nichts mehr zu verbergen hatte. »Es ist gut, daß ihr jetzt alles wißt, was immer auch aus mir werden mag. Zumindest eins müßt ihr mir zugestehen. Ich habe nicht den Anschein erweckt, daß Engelard seinen Herrn hinterrücks ermordet hat. Ich kannte ihn. Seit er als Flüchtling zu uns kam, war ich täglich mit hm zusammen. Wir sind im selben Alter. Ich mochte ihn, ging oft mit ihm auf die Jagd, kämpfte mit ihm, war eifersüchtig auf ihn, weil er geliebt wurde und ich nicht. Die Liebe zwingt die Menschen zu furchtbaren Taten - zu Taten, die sogar ihre Freunde treffen.«
Ringsum herrschte Stille, erfüllt von Abscheu vor seinem Vergehen, Mitleid mit seiner Einsamkeit und Reue, denn die meisten Zuhörer hatten einen falschen Verdacht gehegt. Die Wahrheit war wie ein Donnerschlag, der sie alle niederdrückte. Rhisiart war nicht mit einem Pfeil erschossen, sondern von hinten überfallen worden - von einem feigen Schurken, der aus dem Dickicht gesprungen war. Ein solcher Mord war nicht von einer Heiligen, sondern von einem menschlichen Gehirn diktiert worden.
Vater Huw brach das Schweigen. Jetzt war er in seinem eigenen Kompetenzbereich, in den keine fremden Würdenträger einzudringen wagten, fühlte sich sicher in seiner sanften, von allen anerkannten Autorität. Das Recht war verletzt worden auf ungeheuerliche Weise, der Sünder verdiente seine Strafe, aber auch Mitgefühl. »Mein Sohn Peredur, dein Vergehen kann nicht entschuldigt werden. Ein solcher Mißbrauch eines göttlichen Ebenbildes - eine solche Verletzung liebevoller Gefühle - denn ich weiß, was dich mit Rhisiart verbunden hat, eine so schwere Anklage gegen einen Unschuldigen... Dies alles kann nicht ungesühnt bleiben.«
»Da sei Gott vor, daß ich mich meiner Strafe entziehen wollte. Ich will bestraft werden - sonst kann auch ich nicht mit mir ins reine kommen.«
»Mein Sohn, wenn du das ernst meinst, dann begib dich in meine Obhut. Ich werde dich der weltlichen und der kirchlichen Justiz überantworten. Was das Gesetz betrifft, so werde ich mit dem Amtmann des Prinzen sprechen. Und was den göttlichen Richter angeht - als dein Beichtvater bin ich sein Stellvertreter, und du sollst die Strafe bekommen, die ich dir nach reichlicher Überlegung auferlegen werde.«
»Das will ich tun, Vater. Ich möchte nicht mit unverdienter Milde behandelt werden und nehme meine Strafe bereitwillig auf mich.«
»Dann brauchst du nicht an Gottes Gnade zu zweifeln. Geh jetzt nach Hause und bleib dort, bis ich dich rufen lasse.«
»Ich will dir gehorchen, aber ich habe noch eine Bitte.« Langsam drehte sich Peredur zu Sioned um, die reglos dastand, die Hände an die Wangen gepreßt, den Blick in qualvoller Faszination auf den Mann geheftet, der als ihr Spielkamerad an ihrer Seite aufgewachsen war. Doch ihr Abscheu war geschwunden, denn wenn er sich auch als Ungeheuer bezeichnet hatte - er war nicht das Ungeheuer, für das sie ihn zunächst gehalten hatte. »Darf ich jetzt tun, was du von mir verlangt hast? Ich fürchte mich nicht mehr. Er war immer ein gerechter Mann, und er wird mir keine größere Schuld geben, als ich sie verdient habe.«
Mit diesen Worten
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