Im Namen der Heiligen
über das alles breiten und den großartigen Friedensvertrag nicht damit besudeln. Aber ich möchte, daß dieser Mann gefunden, daß Engelard rehabilitiert und mein Vater gerächt wird. Vorher werde ich keine Ruhe geben. Und jetzt sag mir, was ich tun soll.«
»Das habe ich dir bereits gesagt. Die Bewohner deines Hauses und alle deine Freunde sollen sich vor dem Friedhof versammeln und zusehen, wie Winifreds Grab geöffnet wird. Und sieh zu, daß auch Peredur kommt.«
»Ich habe Annest schon zu ihm geschickt. Sie wird ihm Bescheid geben. Und was soll ich tun, wenn er kommt?«
»Du trägst das Silberkreuz am Hals. Bist du bereit, dich davon zu trennen, wenn uns dies dem Ziel unserer Bemühungen einen Schritt näher brächte?«
»Dafür würde ich auf mein ganzes Eigentum verzichten, das weißt du.«
»Dann will ich dir sagen, was du tun mußt...«
Mit Gebeten und Psalmen trugen sie ihre Werkzeuge in den verwilderten Friedhof, der die Kapelle umgab, mähten die Wildblumen und das hohe Gras auf Winifreds Grab, entfernten das Dornengestrüpp und gruben ehrfürchtig das Erdreich auf. Sie wechselten sich ab bei der Arbeit, denn jeder sollte an dem Segen teilhaben, der damit verbunden war. Im Lauf des Tages hatten sich fast alle Dorfbewohner eingefunden, um das Ende der Kontroverse zu beobachten. Auch Sioned war mit ihren Freunden und Dienstboten in Trauerkleidern erschienen, um Rhisiart zu begraben, wenn es an der Zeit war, doch die Trauergesellschaft war vorerst nur Nebensache, eine Episode in der Geschichte der heiligen Winifred, eine Episode, die bereits beendet war.
Cadwallon war da, auch Onkel Maurice, Bened und all die anderen Nachbarn. Und neben seinem Vater stand mit düsterer Miene der junge Peredur und sah aus, als wäre er am liebsten meilenweit weg gewesen. Seine dichten dunklen Brauen waren zusammengezogen, als hätte er Kopfschmerzen, und wann immer seine braunen Augen umherschweiften, richtete sich sein Blick niemals auf Sioned. Auf ihre ausdrückliche Bitte hin war er widerstrebend zum Friedhof gekommen, aber er konnte und wollte sie nicht anschauen. Seine vollen Lippen waren zusammengepreßt und blutleer. Er starrte in die Grube, die immer größer wurde, und keuchte heftig, als würde er unsägliche Qualen erleiden. Dieser Mann hatte nichts mehr mit dem verwöhnten Jungen gemein, dessen Lächeln alle Leute bezauberte, der es für selbstverständlich hielt, daß ihm die Welt zu Füßen lag. Peredur wurde von seinen Dämonen verfolgt.
Das Erdreich war feucht, aber locker, die Arbeit bereitete keine Mühe, doch das Grab war tief. Die Männer waren bereits bis zu den Schultern in der Grube versunken. Um die Mitte des Nachmittags war Bruder Cadfael, der kleinste von ihnen, schon fast im Abgrund verschwunden, als er seine letzten Spatenstiche vollführte. Niemand hatte es auszusprechen gewagt, aber einige hatten zu zweifeln begonnen, ob sie auch tatsächlich das richtige Grab aushoben. Cadfael hegte - aus welchen Gründen auch immer - nicht die geringsten Zweifel. Das Mädchen mußte hier sein, an diesem Ort war sie nach ihrem kurzen Märtyrertum und ihrer wunderbaren Wiederbelebung jahrelang Äbtissin gewesen. Doch er dachte an das fromme, naive Mädchen, das in romantischer Liebe zu Zölibat und Askese Prinz Cradocs Annäherungsversuche abgewehrt hatte. Cadfael fühlte nicht nur mit ihr, sondern auch mit ihrem verzweifelten Liebhaber, dessen Geist vermutlich ebenso ausgelöscht worden war wie sein Körper. Ob wohl irgend jemand für ihn betete? Cradoc hätte das viel eher nötig als Winifred.
Vielleicht war die Heilige die einzige gewesen, die jemals ein Gebet für ihn gesprochen hatte. Sie war Waliserin und deshalb subtiler Empfindungen fähig. Möglicherweise hatte sie Gott den Herrn gebeten, Cradocs verflüssigten Körper wieder zu fester Gestalt zusammenzufügen. Danach wäre er zwar geläutert gewesen, hätte aber genauso ausgesehen wie zuvor. Und sogar eine Heilige könnte in stiller Freude auf jenen Tag zurückblicken, an dem sie begehrt worden war...
Der Spaten stieß auf irgend etwas in der dunklen, krümeligen Erde - auf etwas, das weder aus Lehm noch aus Stein bestand. Cadfael ging nun vorsichtiger zu Werke, da ihm der Gegenstand altersschwach und bröckelig erschien. Er legte den Spaten beiseite und bückte sich, um die kühle, duftende, weiche Erde, die seinen Fund verbarg, mit den Händen zu entfernen. Ein schmales, blasses, zierliches Ding kam zum Vorschein, taubengrau wie die erste
Weitere Kostenlose Bücher