Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Namen der Heiligen

Im Namen der Heiligen

Titel: Im Namen der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
erflehte er ihre Vergebung und ließ gleichzeitig die letzte Hoffnung auf ihre Liebe fahren, die er immer noch gehegt hatte. Das war jetzt unwiderruflich vorbei. Seltsam, daß er jetzt, nachdem er ihr ein so großes Leid angetan hatte, auf sie zugehen konnte, ohne Zögern, beinahe ohne Eifersucht... Und ihr Gesicht spiegelte weder Zorn noch Bitterkeit wider, nur Nachdenklichkeit.
    »Ja«, entgegnete sie. »Ich will es immer noch.« Wenn er die ganze Wahrheit gesagt hatte, und davon war sie überzeugt, war es nur recht und billig, daß er seine Bitte um Vergebung auch an Rhisiart richtete, in einer Art und Weise, die alle Anwesenden akzeptieren würden. In überirdischer Gerechtigkeit würde ihn der Tote von der Tat reinigen, die er mit seinem Geständnis bereits zum Teil gesühnt hatte.
    Peredur trat mit festen Schritten an die Bahre heran, sank neben Rhisiarts Leiche auf die Knie, legte zuerst seine Hand und dann Sioneds Silberkreuz auf das Herz, das er durchbohrt hatte. Kein Blutschwall quoll ihm entgegen, und Cadfael wußte, daß der junge Mann an dieses Zeichen glaubte, das ihn von der Schuld an dem Mord freisprach. Peredur zögerte kurz, dann küßte er - aus Dankbarkeit und nicht, um seine Zuneigung verspätet und in unpassender Weise zur Schau zu stellen - Rhisiarts rechte Hand, die über der linken auf der Brust lag und deren Umrisse sich deutlich unter dem Leinentuch abzeichneten. Er erhob sich, die Leute machten ihm Platz, und er ging den Weg hinab, der zum Haus seines Vaters führte. Cadwallon, aus einer Trance ungläubiger Verzweiflung gerissen, folgte ihm hastig.
     
    9.
     
    Der Abend brach herein, als sie Rhisiart begraben hatten, und es war so spät geworden, daß Prior Robert und seine Gefährten nicht mehr aufbrechen und die Reliquie nach Shrewsbury bringen konnten - selbst wenn dies nach allem, was sich ereignet hatte, passend und schicklich gewesen wäre. Die Mönche waren der Gemeinde, die Winifred nun bald verlassen würde, eine Zeremonie schuldig, auch den Männern, die jenen, die sie beraubten, ihre Gastfreundschaft angeboten hatten.
    »Wir bleiben in dieser Nacht noch hier, beten mit euch bei der Abendandacht und bei der Komplet, um Gott zu danken«, verkündete der Prior. »Nach der Komplet wird einer von uns während der Nacht bei St. Winifred wachen. Sollte der Amtmann des Prinzen verlangen, daß wir länger bleiben, werden wir uns seinen Wünschen fügen. Denn der Fall Bruder Johns muß noch geklärt werden, da sich der Bruder zu unserer aller Schande gegen das Gesetz vergangen hat.«
    »Im Augenblick«, entgegnete Vater Huw mißbilligend, »befaßt sich der Amtmann mit dem Mord an Rhisiart. Denn wir haben zwar so manches erfahren, wissen aber immer noch nicht, wer der Schurke ist. Heute haben wir einen Mann gesehen und gehört, der unschuldig an jenem Verbrechen ist - was immer er auch sonst getan haben mag.«
    »Ich fürchte«, sagte Prior Robert mit ungewohnter Demut, »daß wir euch ohne böse Absicht großen Kummer bereitet haben, und das bedauern wir. Und wir haben auch großes Mitgefühl mit den Eltern dieses jungen Mannes, der so schwer gesündigt hat - mit seinen Eltern, die sicher viel qualvoller leiden als er, und das völlig schuldlos.«
    »Ich gehe jetzt zu ihnen. Willst du mich bei der Abendandacht vertreten, Vater Prior? Vielleicht werde ich aufgehalten! Ich muß diesem unglücklichen Haus helfen, so gut ich kann.«
    Die Bewohner von Gwytherin waren schweigend davongegangen, in sämtliche Richtungen, um die Neuigkeiten dieses Tages zu verbreiten und den Leuten alles zu erzählen, die in den entlegensten Teilen der Gemeinde wohnten. Im hohen Gras des Friedhofs, jetzt von zahlreichen Füßen niedergetrampelt, sah Rhisiarts dunkles Grab wie eine große Narbe aus. Zwei von seinen Dienern häuften Erde darauf. Dann war auch das getan. Sioned wandte sich zum Gatter, die restlichen Trauergäste folgten ihr. Cadfael gesellte sich zu ihr, während die stumme, bedrückte Prozession ins Dorf zurückkehrte.
    »Nun, unser Schachzug hat sich immerhin gelohnt«, meinte er resigniert. »Wir können nicht behaupten, daß er nichts eingebracht hat. Wenigstens wissen wir nun, wer das geringfügigere Verbrechen begangen hat. Und wir wissen, warum zwei beteiligt waren. Es hätte ja auch keinen Sinn gehabt, wenn ein und derselbe für beide Taten verantwortlich gewesen wäre. Jedenfalls haben wir dem Jungen zu einem Geständnis verhelfen und eine schwere Last von seiner Seele genommen. Bist du

Weitere Kostenlose Bücher