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Im Namen der Heiligen

Im Namen der Heiligen

Titel: Im Namen der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Gib mir noch diese eine Nacht Zeit, mein Kind, und erfülle mir eine Bitte. Schick deine Leute nach Hause und bleib mit Annest bei Bened. Wenn Gott mir hilft und mir neue Gedanken einflößt - denn vergiß nicht, daß Er durch dieses Verbrechen noch tiefer beleidigt wurde als du oder ich - werde ich dich dort aufsuchen.«
    »Gut«, stimmte Sioned zu. »Du wirst sicher kommen.«
    Sie hatten ihre Schritte verlangsamt, um die Prozession vorausgehen zu lassen, damit sie sich ungestört unterhalten konnten. Jetzt näherten sie sich Cadwallons Tor. Prior Robert und die anderen Brüder waren bereits daran vorbeigegangen, um die Abendandacht rechtzeitig abhalten zu können. Vater Huw, der nun aufgeregt herbeirannte, um Hilfe zu holen, schien eher erleichtert als bestürzt zu sein, als er feststellte, daß sich nur noch Cadfael in Rufweite befand. Sioneds Anwesenheit veranlaßte ihn, seinen Weg gemessenen Schrittes fortzusetzen und in ruhigem Ton zu sprechen, doch sein zerzaustes Haar und seine verzweifelte Miene ließen sich nicht verbergen.
    »Bruder Cadfael, könntest du ein paar Minuten für dieses Haus erübrigen, das Gott so hart gestraft hat? Du verstehst etwas von Arzneien, könntest einen Rat geben... «
    »Seine Mutter!« flüsterte Sioned. »Wann immer ihr etwas Böses widerfährt, kann sie nicht aufhören zu weinen. Ich wußte, daß sie einen solchen Anfall bekommen würde. Der arme Peredur - jetzt hat er seine Strafe! Soll ich mitkommen?«
    »Lieber nicht«, antwortete Cadfael sanft, dann folgte er Huw. Sioned war immerhin die unschuldige Ursache von Peredurs Verfehlung, und ihr Anblick würde seine Mutter sicher nicht besänftigen. Und Sioned verstand ihn und ging weiter, überließ die Angelegenheit ihm, gab sich ruhig und gelassen. Es war offensichtlich, daß sie das Spektakel nicht als Tragödie betrachtete. Sie hatte Cadwallons Frau ihr Leben lang gekannt und zweifellos gelernt, deren Anfälle ebenso philosophisch hinzunehmen wie Bruder Cadfael die Exzesse und Ekstasen des jungen Columbanus. Auch der tat sich niemals weh, wenn er sich in seinen Zuckungen wand.
    »Frau Branwen regt sich schrecklich auf«, jammerte Huw und führte Cadfael eilig durch die offene Haustür. »Ich fürchte um ihren Verstand. Ich habe sie schon oft in einer solchen Verfassung gesehen, und es war immer sehr schwierig, sie zu beruhigen, aber jetzt - nach diesem Schock - ihr einziges Kind... Wirklich, sie könnte sich ernsthaft verletzen, wenn es uns nicht gelingt, sie zu beschwichtigen... «
    Frau Branwens Schluchzen war bereits zu vernehmen, bevor sie die Kammer betraten, in der ihr Ehemann und ihr Sohn liebevoll auf sie einsprachen. Doch ihr schrilles Gekreisch übertönte die Stimmen der beiden Männer. Die dicke blinde Dame, die offenbar ausschließlich für ein bequemes, oberflächliches Leben geschaffen war, lag auf einem Sofa, wälzte sich hin und her, schlug abwechselnd die Hände vor das dumme runde Gesicht und warf die Arme hoch in ausdrucksvollen Gebärden namenloser Verzweiflung. Und ihr Mund stand keinen Augenblick still, schrie ihr ganzes schmachvolles Leid heraus. Tränen flossen unablässig über die feisten Wangen, und das atemlose Schluchzen, das ihren massigen Körper erschütterte, schien den Wortschwall, der wie ein heftiger Regenschauer aus ihr herausfloß, kaum zu hemmen.
    Cadwallon stand auf der einen Seite des Sofas, Peredur auf der anderen. Vergeblich bemühten sich die beiden um die tobende Frau, streichelten und trösteten sie. Sobald der Vater ein Argument vorbrachte, überfiel sie ihn mit heftigen Vorwürfen und schrie, daß er nicht an seinen leiblichen Sohn glaubte, sonst könnte er ihm eine so grausige Tat nicht zutrauen, denn der Junge wäre verhext gewesen, hätte unter einem Bann gestanden, der ihn zu jenem falschen Geständnis gezwungen hätte. Cadwallon hätte vor allen Leuten für Peredur eintreten und verhindern müssen, daß man ihm glaubte, denn er wäre ganz sicher von einem Dämon besessen gewesen. Und wann immer Peredur ihr erklärte, er hätte die Wahrheit gesagt und daß er bereit wäre, für seine Tat zu büßen und alles wiedergutzumachen, daß sie seine Worte akzeptieren müßte, fuhr sie mit einem neuen Tränenausbruch zu ihm herum und brüllte, ihr Sohn hätte Schande über sein Elternhaus gebracht, und sie verstünde nicht, daß er sich überhaupt noch in ihre Nähe wagte, daß sie den Kopf nie mehr hoch tragen könnte, daß er ein Monstrum wäre.
    Und wenn der arme Vater Huw

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