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Im Namen der Heiligen

Im Namen der Heiligen

Titel: Im Namen der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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und Bruder Jerome war froh, daß du ihn nicht der Pflichtvergessenheit bezichtigen konntest. Er wußte nicht, daß du gelogen hast, und deshalb hatte er dir nichts vorzuwerfen. Aber ich weiß es, und ich klage dich an. Meine Rache, die Cradoc traf, wird auch dich treffen, wenn du mich noch ein einziges Mal belügst!«
    »Nein!« kreischte er und schlug die Hände vors Gesicht, als würde ihn die Heilige mit ihrem Licht blenden, obwohl er nur von ihrer leisen und doch so furchtbaren Stimme bedroht wurde. »Nein, verschone mich! Ich lüge nicht! Gesegnete Jungfrau, ich war dein treuer Diener... Ich habe versucht, deinem Willen zu gehorchen.. Ich weiß nichts von alledem... Ich habe Rhisiart nichts zuleide getan - und ich habe Jerome keinen vergifteten Wein gegeben... «
    »Narr!« Plötzlich begann die Stimme zu schreien. »Glaubst du wirklich, daß du mich täuschen kannst? Was ist denn das?«
    Etwas Silbriges blitzte vor ihm auf, etwas fiel zu Boden, zerbrach klirrend dicht vor dem Betstuhl, winzige Glasscherben mit klebrigen Tropfen flogen auf Columbanus' Knie, gleichzeitig erlosch die Lampe, und schwarze Finsternis umgab ihn.
    Zitternd und elend vor Angst, tastete sich Columbanus über den harten Lehmboden, Glassplitter zerstachen seine Handflächen, er begann zu bluten, hob eine Hand zum Gesicht, kostete den süßen Geschmack des Mohnsirups, und da wußte er, daß er zwischen den Scherben der Flasche kniete, die er in seinem Quartier auf Cadwallons Gehöft zurückgelassen hatte.
    Es dauerte nicht länger als eine Minute, bis sich das schwarze Dunkel milderte, bis das kleine Fenster neben dem Altar ein helles Rechteck bildete, durch das die Nacht hereindrang - mondlos, aber von Sternen erleuchtet. Die Umrisse in der Kapelle waren wieder zu erkennen, wenn auch undeutlich, ein neues Entsetzen stieg in Columbanus auf, denn zwischen ihm und dem Reliquiar stand eine reglose Gestalt.
    Als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erblickten sie eine Frau, die von den Hüften abwärts mit den Schatten verschmolz, doch der Oberkörper und der Kopf wurden von den Sternen beschienen. Er hatte sie nicht kommen sehen, hatte nichts gehört. Sie mußte gekommen sein, während er zwischen den Scherben umhergekrochen war, sich die Hände blutig geritzt und gestöhnt hatte, als würde ihm dieser lächerliche, geringfügige Schmerz Qualen bereiten. Es war eine schlanke Gestalt, weiß gekleidet - Winifred in ihrem Totenhemd. Ein dünner Staubschleier schien ihr Gesicht zu verhüllen, ihr ausgestreckter Arm zeigte auf ihn.
    Er wich zurück, mit erhobenen Händen, um sie abzuwehren. Tränen der Verzweiflung rannen über seine Wangen, mit heiserer Stimme stieß er hervor: »Ich tat es für dich und für unser Kloster - für den Ruhm unseres Hauses! Ich dachte, ich hätte die Erlaubnis dazu - von dir und vom Himmel. Er stand dem Willen Gottes im Wege! Er wollte dich nicht gehen lassen. Ich meinte es gut, als ich tat, was ich tat!«
    »Sprich deutlicher!« befahl die Erscheinung mit scharfer Stimme. »Was hast du getan?«
    »Ich mischte den Sirup in Jeromes Wein, und als er schlief, schlich ich mich hinaus in den Wald und wartete auf Rhisiart. Ich folgte ihm - streckte ihn nieder... O süße heilige Winifred, verdamme mich nicht, weil ich den Feind aus dem Weg räumte, der unser Glück bedrohte... «
    »Du hast ihn hinterrücks erdolcht«, sagte die helle Gestalt, und ein plötzlicher Windstoß riß an ihrem Hemd, durchfuhr die Kapelle, ließ Columbanus bis auf die
    Knochen frieren. Als hätte sie ihn berührt! Und jetzt war sie näher gekommen, wenn er auch keine Bewegung gesehen hatte. »Du hast ihn hinterrücks erdolcht - wie ein feiger Verräter! Gestehe es! Sag alles!«
    »Ja, - hinterrücks...«, stammelte Columbanus und zuckte zurück wie ein getretenes Tier, taumelte nach hinten, bis er gegen eine Wand stieß und sich nicht mehr weiter von ihr entfernen konnte. »Ich gestehe alles! Oh, barmherzige Heilige, du weißt es, und ich kann es nicht vor dir verbergen. Hab' Mitleid mit mir! Vernichte mich nicht! Ich habe es für dich getan - nur für dich!«
    »Du hast es für dich selbst getan«, widersprach die Stimme, kalt wie Eis. »Du, der du Herr deines Ordens werden wolltest - du mit deinem Ehrgeiz und deiner bösen Strategie. Du wolltest dich in dem Ruhm sonnen, den dir der Besitz meiner Reliquien eingebracht hätte, du wolltest dich als Liebling des Himmels brüsten, als Ausbund aller Tugenden, um Bruder Richard

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