Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Titel: Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
Vom Netzwerk:
Staub. Höchste Zeit, dass Sie sich dieser Tatsache stellen. Haben Sie Mühe, Rausschmeißer für Ihre Pubs zu finden? Will niemand mehr Ihre Mausefallen von Wohnungen mieten? Fehlt es Ihrem Taxiunternehmen an Fahrern?« Ein Lächeln breitete sich auf Tenchs Gesicht aus. »Sie stehen im Zwielicht, Cafferty. Wachen Sie auf, und riechen Sie den Sarg …«
    Cafferty setzte zum Sprung an. Rebus packte ihn, gerade als Tenchs Männer sich an ihrem Chef vorbeidrängten. Rebus drehte Cafferty so, dass er selbst mit dem Rücken zur Tür stand. Er schubste den Gangster auf den Bentley zu.
    »Rein und los!«, befahl er.
    »Ich hab nie einen Kampf verloren!«, schimpfte Cafferty mit hochrotem Gesicht. Dennoch riss er die Tür auf und ließ sich auf den Fahrersitz fallen. Während Rebus auf die Beifahrerseite hinüberging, warf er einen Blick zum Halleneingang. Tench winkte ihnen mit hämischem Grinsen. Rebus wollte noch etwas sagen, und sei es auch nur, dass er nicht Caffertys Mann war, aber der Stadtrat wandte sich bereits ab und überließ seinen Bodyguards alles Weitere.
    »Ich reiß ihm seine verdammten Augäpfel raus; die kann er dann wie Lollys lutschen«, knurrte Cafferty, wobei seine Spucke die Windschutzscheibe sprenkelte. »Und wenn er hiebund stichfeste Vorschläge haben will, mische ich den Zement höchstpersönlich, bevor ich ihm die Schaufel über den Kopf ziehe – das nenne ich ›Besserstellung der Gemeinde‹!«
    Cafferty schwieg, während er den Wagen vom Parkplatz lenkte, aber seine Atmung ging schnell. Schließlich wandte er sich an seinen Beifahrer. »Ich schwöre bei Gott, wenn ich dieses Arschloch zu fassen kriege …« Die Knöchel seiner Finger, die sich um das Lenkrad schlossen, waren weiß.
    »Wenn Sie aber irgendetwas sagen«, entgegnete Rebus, »was vor Gericht gegen Sie verwendet werden könnte …«
    »Sie würden mich nie überführen!«, brüllte Cafferty unter wildem Gelächter. »Die Gerichtsmediziner werden das, was von ihm übrig ist, mit einem Teelöffel aufkratzen müssen.«
    »Wenn Sie aber irgendetwas sagen …«, wiederholte Rebus.
    »Vor drei Jahren fing es an«, fuhr Cafferty fort, bemüht, seinen Atem unter Kontrolle zu bringen. »Wettlizenzen wurden verweigert, Gaststättenlizenzen ebenso … Damals wollte ich in seinem Revier ein Taxiunternehmen aufmachen, ein paar einheimischen Arbeitslosen einen Job verschaffen. Jedes Mal hat er dafür gesorgt, dass der Stadtrat mich abblitzen ließ.«
    »Sollten Sie am Ende auf jemanden gestoßen sein, der den Mumm hat, sich Ihnen entgegenzustellen?«
    Cafferty warf Rebus einen kurzen Blick zu. »Ich dachte, das wäre Ihr Job?«
    »Mag sein.«
    Das darauf folgende Schweigen wurde schließlich von Cafferty gebrochen. »Ich brauche einen Drink«, sagte er und leckte sich die Lippen. An seinen Mundwinkeln hingen Speichelfetzen.
    »Gute Idee«, stimmte Rebus ihm zu. »Vielleicht trinken Sie ja, um zu vergessen, genau wie ich …«
    Während der restlichen Fahrt zurück in die Stadt, die sie schweigend hinter sich brachten, ging sein Blick immer wieder zu Cafferty. Der Mann hatte getötet und war ungeschoren davongekommen – vielleicht häufiger, als Rebus wusste. Er hatte Mordopfer an die hungrigen Schweine auf einem Bauernhof in den Borders verfüttert. Er hatte unzählige Leben ruiniert, hatte vier Gefängnisstrafen abgesessen. Von Jugend an hatte er kriminelle Energie besessen und sich früh darin geübt, die Unterstützung des Mobs von London zu erzwingen …
    Warum um alles in der Welt verspürte Rebus also Mitleid mit ihm?
    »Ich habe einen dreißig Jahre alten Malt Whisky zu Hause«, sagte Cafferty gerade. »Karamell und Heidekraut und geschmolzene Butter …«
    »Setzen Sie mich in Marchmont ab«, beharrte Rebus.
    »Was ist mit dem Drink?«
    Rebus schüttelte den Kopf. »Den muss ich ablehnen, schon vergessen?«
    Cafferty schnaubte, schwieg jedoch. Trotzdem war Rebus klar, dass der Mann sich von ihm wünschte, er möge seine Meinung ändern. Dass er sich wünschte, sie säßen einander bei diesem Drink gegenüber, während die Nacht sie umfing.
    Darauf bestehen würde er allerdings nicht, das könnte nach Betteln aussehen.
    Betteln würde er nicht.
    Noch nicht.
    Rebus vermutete, dass Cafferty vor allem einen Machtverlust fürchtete. Das war es, wovor Tyrannen und Politiker gleichermaßen Angst hatten, egal, ob sie der Unter- oder Oberwelt angehörten. Eines Tages würde ihnen niemand mehr zuhören, niemand ihre Befehle befolgen, niemand

Weitere Kostenlose Bücher