Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Titel: Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
Vom Netzwerk:
stichelte Cafferty, schaltete den Motor aus und öffnete die Fahrertür. Doch ein Schild neben der offenen Eingangstür verriet Rebus, dass es sich um eine öffentliche Versammlung im Rahmen der G8 Alternatives handelte – »Gemeinden in Aktion: Wie die kommende Krise abzuwenden ist«. Für Studenten und Menschen ohne festes Einkommen war der Eintritt frei.
    »Wohl eher ohne Badewanne«, murmelte Cafferty beim Anblick der bärtigen Gestalt mit dem Plastikeimer in der Hand. Der Mann hatte lange, lockige schwarze Haare und trug eine Brille mit dickem, schwarzem Kassengestell. Er schüttelte den Eimer, als die Neuankömmlinge sich ihm näherten. Ein paar Münzen lagen darin, aber viele waren es nicht. Cafferty öffnete mit großer Geste seine Brieftasche und zog einen Fünfzigpfundschein heraus. »Und wehe, das kommt nicht einem guten Zweck zugute«, warnte er den Mann mit dem Eimer. Rebus folgte ihm durch die Tür, nachdem er dem Eimerhalter erklärt hatte, dass Caffertys Spende auch für ihn ausreichte.
    Die drei oder vier hinteren Stuhlreihen waren leer, aber Cafferty hatte beschlossen, stehen zu bleiben, die Arme verschränkt und die Beine gespreizt. Der Raum war voll, aber das Publikum wirkte gelangweilt oder vielleicht auch in Kontemplation versunken. Oben auf der Bühne drängten sich vier Männer und zwei Frauen hinter einem Tapeziertisch, für den es nur ein einziges, zur Verzerrung neigendes Mikrofon gab. Hinter ihnen hingen Transparente mit der Aufschrift CRAIGMILLAR BEGRÜSST DIE G8-DEMONSTRANTEN und UNSERE GEMEINDE IST STARK, WENN WIR MIT EINER STIMME SPRECHEN. Die eine Stimme, die just in dem Moment sprach, war die von Stadtrat Gareth Tench.
    »Es ist ja gut und schön«, donnerte sie, »zu sagen: Gebt uns das Werkzeug, und wir erledigen die Arbeit. Erst mal muss es doch überhaupt Arbeitsplätze geben! Wir brauchen konkrete Vorschläge für die Besserstellung unserer Gemeinden, und dafür setze ich mich auf meine bescheidene Weise ein.«
    Am Vortrag des Stadtrats war allerdings nichts bescheiden. In einer Halle von dieser Größe brauchte jemand wie Tench eigentlich gar kein Mikrofon.
    »Er ist in seine Stimme verliebt«, meinte Cafferty. Rebus wusste, dass er recht hatte. Diesen Eindruck hatte Rebus schon immer gehabt, wenn er ihn am Fuß des Mound predigen hörte. Er hatte nicht gebrüllt, um gehört zu werden; er hatte gebrüllt, weil der Lärm ihm seine Bedeutung in der Welt bestätigte.
    »Aber Freunde … Kameraden …«, fuhr Tench, scheinbar ohne Luft zu holen, fort, »wir neigen alle dazu, uns als Rädchen im großen Getriebe der Politik zu sehen. Wie können wir uns Gehör verschaffen? Wie können wir einen Unterschied bewirken? Denken Sie doch mal einen Moment darüber nach. Die Autos und Busse, mit denen Sie heute Abend hierhergekommen sind … Wenn Sie nur ein kleines Zahnrädchen aus dem Getriebe entfernen, ist die Maschine kaputt. Denn alle beweglichen Teile haben den gleichen Wert – die gleiche Bedeutung … und das gilt für das menschliche Leben ebenso wie für den Stauverursachungsmotor.« Er hielt lange genug inne, um über seine eigene Pointe zu lächeln.
    »Eingebildetes kleines Arschloch«, murmelte Cafferty Rebus zu. »Und wenn er so gelenkig wäre, dass er sich selbst einen blasen könnte, seine Selbstverliebtheit könnte gar nicht größer sein.«
    Rebus war unfähig, das plötzliche erstickende Lachen, das ihm entfuhr, zu unterdrücken. Er versuchte, es als Husten zu verschleiern, aber ohne großen Erfolg. Manche der Zuhörer hatten sich schon nach der Ursache des Lärms umgedreht. Selbst Tench unterbrach seinen Redefluss. Was er von der Bühne aus sah, war Morris Gerald Cafferty, der Detective Inspector Rebus auf den Rücken klopfte. Rebus wusste, dass er erkannt worden war, obwohl er sich die Hand vor Mund und Nase hielt. Der völlig aus dem Konzept gebrachte Stadtrat bemühte sich nach Kräften, den roten Faden seiner Rede wieder aufzunehmen, aber die Verve von vorhin hatte sich weitgehend verflüchtigt. Er übergab das Mikrofon der Frau neben ihm, die aus ihrem tranceartigen Zustand erwachte und begann, mit monotoner Stimme aus den zahlreichen Unterlagen vor ihr zu zitieren.
    Cafferty ging an Rebus vorbei ins Freie. Einen Augenblick später folgte Rebus. Cafferty durchmaß mit großen Schritten den Parkplatz. Rebus zündete sich eine Zigarette an.
    »Ich versteh’s immer noch nicht«, gestand Rebus, während er Asche von seiner Zigarette klopfte.
    Cafferty zuckte die

Weitere Kostenlose Bücher