Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead
Rebus«, sagte er laut und hob sein Glas. Dann stand er auf und besorgte Nachschub – IPA, Wodka und Tonic. Stand an der Bar, während er auf sein Wechselgeld wartete. Zwei Stammgäste diskutierten höchst erregt über die Chancen des Team Britain bei den Olympischen Spielen 2012.
»Wie kommt es, dass London immer alles kriegt?«, beschwerte sich der eine.
»Komisch, dass sie den G8-Gipfel nicht wollten«, fügte sein Nachbar hinzu.
»Die wussten genau, was auf sie zugekommen wäre.«
Rebus musste einen Moment überlegen. Heute war Mittwoch … am Freitag würde alles wieder zusammengepackt. Noch ein ganzer Tag, dann konnte die Stadt wieder aufatmen und zur Normalität zurückkehren. Steelforth und Pennen und all die anderen Eindringlinge würden sich Richtung Süden aufmachen.
Die beiden mochten sich nicht mehr besonders …
Zwischen ihrem Bruder und Richard Pennen, hatte sie gemeint … Der Abgeordnete, der versuchte, Pennens Expansionspläne zu durchkreuzen. Rebus hatte Ben Webster völlig zu Unrecht als Lakai eingeschätzt. Und Steelforth, der Rebus nicht in die Nähe des Hotelzimmers gelassen hatte. Nicht weil er jedes Aufsehen vermeiden, die verschiedenen hohen Tiere nicht mit Fragen und Theorien belästigt sehen wollte, sondern um Richard Pennen zu schützen.
Mochten sich nicht mehr besonders.
Was Richard Pennen zu einem Verdächtigen machte – oder ihm wenigstens ein Motiv gab. Jede derWachen auf dem Schloss hätte den Abgeordneten über die Zinnen hieven können. Sicher hatten sich Bodyguards unter die Gäste gemischt … und Leute vom Geheimdienst – zumindest je ein Sonderkommando zum Schutz des Außen- und Verteidigungsministers. Steelforth war SO12, das Beste nach den Spionen vom MI5 und MI6. Aber warum sollte man, um jemanden loszuwerden, zu einer solchen Methode greifen? Sie war zu öffentlich, zu auffällig. Rebus wusste aus Erfahrung: Die gelungenen Morde waren die, bei denen es keinen Mord gab. Im Schlaf erstickt, mit Drogen vollgepumpt und dann in einem Auto über eine Klippe befördert oder einfach anderweitig entsorgt.
»Herrgott, John«, schimpfte er sich selbst. »Als Nächstes sind es dann kleine grüne Männchen.« Die Umstände waren schuld: In einer G8-Woche konnte man sich mühelos jedes Verschwörungsszenario vorstellen. Er stellte die Getränke auf dem Tisch ab, ein wenig beunruhigt darüber, dass Stacey immer noch nicht wieder aufgetaucht war. Plötzlich ging ihm auf, dass er, während er auf die Getränke wartete, eine Weile mit dem Rücken zum Gastraum an der Bar gestanden hatte. Er gab noch fünf Minuten zu, dann bat er die Kellnerin nachzusehen. Kopfschüttelnd kam sie aus der Damentoilette zurück.
»Drei Eier verschwendet«, sagte sie zu ihm und deutete auf Staceys Getränke. »Außerdem sowieso zu jung für Sie, wenn Sie mir die Bemerkung erlauben.«
Am Gayfield Square hatte sie ihren Koffer abgeholt, ihm aber einen Brief hinterlassen.
Viel Glück, aber denken Sie daran – Ben war mein Bruder, nicht Ihrer. Sehen Sie zu, dass Sie auch Ihre eigene Trauerarbeit leisten.
Noch Stunden bis zur Abfahrt des Schlafwagens. Er konnte zur Waverley Station fahren, entschied sich aber dagegen; er wusste nicht, ob es überhaupt noch viel zu sagen gab. Vielleicht hatte sie sogar recht. Indem er Bens Tod untersuchte, hielt er die Erinnerung an Mickey wach. Plötzlich schoss ihm eine Frage durch den Kopf, die er ihr gern gestellt hätte:
Was glauben Sie , was Ihrem Bruder passiert ist?
Na, irgendwo hatte er ihre Visitenkarte, die sie ihm vor der Leichenhalle gegeben hatte.Vielleicht würde er sie morgen anrufen, fragen, ob sie im Zug nach London hatte schlafen können. Er hatte ihr gesagt, dass er noch an dem Fall dran sei, und alles, was sie dazu gesagt hatte, war: »Ich weiß.« Keine Fragen, keine eigenen Theorien. Von Steelforth gewarnt? Ein guter Soldat befolgte immer die Befehle. Aber sie musste doch darüber nachgedacht und die verschiedenen Möglichkeiten erwogen haben.
Ein Sturz.
Ein Sprung.
Ein Schubs.
»Morgen«, sagte er sich, während er zum CID-Büro zurückging, vor sich eine lange Nacht des heimlichen Fotokopierens.
Donnerstag, 7. Juli 2005
19
Die Klingel weckte ihn.
Er stolperte durch die Diele und drückte auf den Knopf der Sprechanlage.
»Was?«, krächzte er.
»Ich dachte, ich arbeite hier.« Blechern und verzerrt, aber dennoch erkennbar: Siobhans Stimme.
»Wie viel Uhr ist es?« Rebus hustete.
»Acht.«
»Acht?«
»Der Anfang eines neuen
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