Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead
Rebus blieb einen Moment in der Nachmittagssonne stehen und fragte sich, warum sein Herz so pochte. Antwort: Er arbeitete. Altmodische, beharrliche Polizeiarbeit – fast so gut wie Urlaub. Sein letztes Ziel war ein weiterer Pub, diesmal einer, der nicht halb so einladend aussah.
Es war eine viel einfachere Kneipe als das Ram’s Head. Auf dem Boden verblichenes rotes Linoleum, übersät mit Brandflecken. Eine ramponierte Dartscheibe, von zwei ebenso ramponiert aussehenden Gästen mit Beschlag belegt. Drei Rentner mit Tellermützen, die an einem Ecktisch ihre Dominosteine auf die Tischplatte knallten. Das Ganze eingehüllt in Zigarettenrauch. Auf dem Fernsehbildschirm schien die Farbe auszulaufen, und selbst auf diese Entfernung war Rebus klar, dass das Pissoir hinter der Toilettentür einer ordentlichen Reinigung bedurft hätte. Er spürte, wie seine Stimmung kippte, wusste aber gleichzeitig, dass dieses Lokal hier vermutlich eher nach Trevor Guests Geschmack war. Allerdings durfte er gerade deswegen bei seinen Nachforschungen keine Hilfe erwarten. Der Barkeeper hatte eine Nase wie eine zermatschte Tomate – ein richtiges Säufergesicht voller Narben und Kerben. Rebus’ Körper versteifte sich, als er auf den Tresen zuging.
»Ein großes Heavy.« An einem Ort wie diesem konnte er unmöglich ein kleines Glas verlangen. Seine Zigaretten hatte er schon in der Hand. »Haben Sie Duncan die letzte Zeit mal gesehen?«, fragte er den Barkeeper.
»Wen?«
»Duncan Barclay.«
»Nie gehört. Steckt wohl in Schwierigkeiten, wie?«
»Kann man so nicht sagen.« Eine einzige Frage, und schon war er durchschaut. »Ich bin Detective Inspector«, erklärte er.
»Was Sie nicht sagen.«
»Hätte ein paar Fragen an Duncan.«
»Der wohnt nicht hier.«
»Ist nach Kelso umgezogen, stimmt’s?« Der Mann hinterm Tresen zuckte nur die Achseln. »Welche Kneipe ist denn jetzt sein Zuhause?« Der Barkeeper hatte bis jetzt jeden Blickkontakt vermieden. »Schauen Sie mich gefälligst an«, schnauzte Rebus ihn an. »Glauben Sie vielleicht, mir macht dieser Mist hier Spaß? Los jetzt, kommen Sie in die Gänge!«
Das Kratzen von Stuhlbeinen auf dem Boden, als die Senioren aufstanden. Rebus drehte sich halb zu ihnen um.
»Immer noch schwer auf Draht, was?«, sagte er grinsend. »Ich untersuche aber drei Mordfälle.« Das Grinsen verschwand, als er drei Finger hochhielt. »Wer von Ihnen an diesen Ermittlungen teilnehmen möchte, bleibt einfach stehen …« Er hielt inne, sodass sie sich wieder auf ihren Stühlen niederlassen konnten. »Gut so, Jungs«, sagte er. Dann, zu dem Mann hinterm Tresen: »Wo finde ich ihn wohl in Kelso?«
»Sie könnten Debbie fragen«, murmelte der Mann. »Sie war immer ein bisschen verschossen in ihn.«
»Und wo würde ich Debbie finden?«
»Samstags arbeitet sie im Lebensmittelgeschäft.«
Rebus tat, als machte der Mann das großartig. Er zog das zerknitterte Foto von Trevor Guest aus der Tasche.
»Jahre her«, meinte sein Gegenüber. »Ist dann wieder Richtung Süden abgehauen, hab ich gehört.«
»Da haben Sie falsch gehört – er ist nach Edinburgh gegangen. Fällt Ihnen ein Name dazu ein?«
»Wollte ›Clever Trevor‹ genannt werden – hat aber nie gesagt, warum.«
Vermutlich nach dem Song von Ian Drury, überlegte Rebus. »War das seine Stammkneipe?«
»Nicht lange – hat wegen einer Schlägerei von mir Lokalverbot gekriegt.«
»Er hat aber in der Stadt gewohnt?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Kelso, glaube ich«, sagte er. Dann fing er an zu nicken. »Ja, ganz bestimmt Kelso.«
Was bedeutete, dass Guest die Polizisten in Newcastle angelogen hatte. Rebus bekam allmählich ein flaues Gefühl. Er verließ den Pub, ohne zu zahlen. Fand, dass er es soweit ganz gut gemacht hatte. Draußen brauchte er ein paar Minuten, bis die Spannung etwas nachließ. Er ging zurück zu dem Lebensmittelgeschäft und dem Samstagsmädchen – Debbie. Sie sah sofort, dass er Bescheid wusste. Machte den Mund auf und versuchte es mit einer anderen Version, aber er brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. Dann beugte er sich über die Theke.
»Was können Sie mir denn nun über Duncan Barclay erzählen?«, fragte er. »Wir können es entweder hier machen oder auf einer Polizeiwache in Edinburgh – Ihre Entscheidung.«
Sie war so anständig zu erröten. Ihr Gesicht wurde sogar so rot, dass er fürchtete, sie würde gleich wie ein Ballon platzen.
»Er wohnt in einem Cottage in der Carlingnose
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