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Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Titel: Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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entsetzt die Augen auf. Mit einem Ruck zog sie die Vorhänge zu. Trotz des schwülen Wetters war auch das Fenster geschlossen.
    »Sie kommt schon zurecht«, meinte Wylie und tat die Frage mit einer wegwerfenden Handbewegung ab.
    »Und Sie selbst?«
    Wylie lachte nervös auf. »Was soll mit mir sein?«
    »Sie beide sehen aus, als hätten Sie den Arzneischrank geplündert, aber verschiedene Fläschchen gefunden«, antwortete Siobhan.
    Noch ein kurzes, schrilles Lachen, und Wylie zog sich in die Küche zurück. Siobhan erhob sich langsam von dem Holzstuhl, folgte ihr und blieb auf der Schwelle stehen.
    »Haben Sie ihr davon erzählt?«, fragte sie leise.
    »Wovon?« Wylie holte die Milch aus dem Kühlschrank und begann dann eine Kanne zu suchen.
    »Gareth Tench – weiß sie, dass er tot ist?« Die Worte blieben Siobhan fast in der Kehle stecken.
    Tench geht fremd …
    Eine Kollegin von mir, Ellen Wylie … deren Schwester …
    die ohnehin schon ziemlich viel mitgemacht hat …
    »Herrgott, Ellen«, sagte sie jetzt, während sie mit einer Hand nach dem Türpfosten griff.
    »Was ist denn los?«
    »Sie wissen es doch, oder?« Siobhans Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
    »Ich verstehe überhaupt nichts«, entgegnete Wylie, die jetzt hektisch mit dem Tablett hantierte und Untertassen erst daraufstellte und dann wieder herunternahm.
    »Schauen Sie mich an und sagen Sie mir, dass Sie nicht wissen, wovon ich spreche.«
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung, was Sie -«
    »Sie sollen mich anschauen.«
    Ellen Wylie gab sich einen Ruck, ihr Mund war ein dünner, entschlossener Strich.
    »Am Telefon haben Sie so seltsam geklungen«, sagte Siobhan. »Und jetzt dieses ganze Geplapper, während Denise die Treppe hinaufhastet.«
    »Ich glaube, Sie sollten gehen.«
    »Vielleicht überlegen Sie es sich noch einmal, Ellen. Aber vorher möchte ich mich entschuldigen.«
    »Entschuldigen?«
    Siobhan nickte, den Blick weiter auf Wylie gerichtet. »Ich war diejenige, die es Cafferty erzählt hat. Eine Adresse herauszufinden dürfte für ihn kein Problem sein. Waren Sie hier?« Sie sah, dass Wylie den Kopf senkte. »Er ist hierhergekommen, stimmt’s?«, hakte sie nach. »Und hat Denise erzählt, dass Tench immer noch verheiratet war. Hatte sie sich weiter mit ihm getroffen?«
    Wylie schüttelte langsam den Kopf. Tränen liefen ihr über die Wangen.
    »Ellen … es tut mir so leid.« Da stand er auf der Arbeitsplatte neben der Spüle – ein hölzerner Messerblock mit einem leeren Schlitz. Die Küche makellos sauber, nirgendwo schmutziges Geschirr.
    »Sie können sie nicht mitnehmen«, schluchzte Ellen, immer noch kopfschüttelnd.
    »Haben Sie es heute Morgen entdeckt? Nachdem sie aufgestanden war? Es wird bestimmt herauskommen, Ellen«, redete Siobhan auf sie ein. »Wenn Sie es weiter leugnen, wird es Sie beide zerstören.« Siobhan erinnerte sich an Tenchs eigene Worte: Bei manchen Männern ist die Leidenschaft ein knurrendes Tier. Ja, und bei manchen Frauen auch …
    »Sie können sie nicht mitnehmen«, wiederholte Ellen Wylie. Aber die Worte klangen jetzt resigniert, tonlos.
    »Sie wird Hilfe bekommen.« Siobhan hatte ein paar Schritte in den kleinen Raum gemacht und legte ihre Hand auf Ellen Wylies Arm. »Sprechen Sie mit ihr, sagen Sie ihr, es wird alles gut. Sie werden für sie da sein.«
    Wylie wischte sich mit der Rückseite ihres Unterarms übers Gesicht. »Sie haben keine Beweise«, murmelte sie: Worte, die sie schon geübt hatte. Eine für den Fall der Fälle vorbereitete Leugnung.
    »Brauchen wir denn welche?«, fragte Siobhan. »Vielleicht sollte ich Denise fragen …«
    »Nein, bitte.« Wieder Kopfschütteln, und ein Blick, der sich in Siobhans Augen bohrte.
    »Wie groß ist die Chance, dass niemand sie gesehen hat, Ellen? Glauben Sie denn, sie wäre nicht von irgendeiner Überwachungskamera aufgenommen worden? Glauben Sie, die Kleider, die sie getragen hat, würden nicht auftauchen? Genauso wie das Messer, das sie weggeworfen hat? Wenn das mein Fall wäre, würde ich ein paar Taucher an den Fluss schicken. Vielleicht sind Sie ja auch deswegen dorthin gegangen – haben versucht, es wieder herauszuholen und gründlicher zu beseitigen …«
    »O Gott«, sagte Wylie gequält. Siobhan nahm sie in den Arm und spürte, wie ihr Körper zu zittern begann – verzögerter Schock.
    »Für sie müssen Sie stark sein, Ellen. Nur noch für kurze Zeit müssen Sie durchhalten …« Siobhans Gedanken wirbelten in ihrem Kopf herum,

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