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Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Titel: Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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dass es nur an Wochentagen, neun bis zwölf Uhr, geöffnet hatte. Die Hauptstraße von Coldstream war von Bars und kleinen Geschäften gesäumt. Tagesausflügler bevölkerten in Scharen die schmalen Bürgersteige. Ein Reisebus aus Lesmahagow ergoss seine geschwätzige Ladung ins Ram’s Head. Rebus beeilte sich, vor ihnen in dem Lokal zu sein, und bestellte ein kleines Glas Bitter. Als er sich umschaute, bemerkte er, dass die Tische zum Mittagessen für eine Reisegruppe reserviert waren. An der Bar gab es belegte Brötchen, und er bestellte eins mit Käse und Pickles.
    »Wir haben auch Suppe«, klärte die Frau hinterm Tresen ihn auf. »Lauchsuppe.«
    »Aus der Dose?«
    Sie gab einen missbilligenden Laut von sich. »Würde ich Sie mit einem solchen Dreck vergiften?«
    »Dann gerne«, sagte er lächelnd. Sie rief seine Bestellung in die Küche, während er seinen Rücken streckte und Schultern und Hals kreisen ließ.
    »Wohin sind Sie unterwegs?«, fragte sie, als sie zurückkam.
    »Ich bin schon da, wo ich hinwollte«, antwortete er, doch bevor er mit ihr ins Gespräch kommen konnte, drängte schon die Reisegruppe aus dem Bus ins Lokal. Wieder rief sie in die Küche; eine Kellnerin erschien mit gezücktem Block.
    Der Küchenchef selbst, ein Mann mit rotem Gesicht und beträchtlichem Umfang, brachte Rebus’ Suppe. Er verdrehte die Augen, als er das Durchschnittsalter der Neuankömmlinge schätzte.
    »Raten Sie mal, wie viele von denen Fleischpastete bestellen«, sagte er.
    »Alle«, meinte Rebus.
    »Und die Vorspeise, Ziegenkäse in Blätterteig?«
    »Keine Chance«, bestätigte Rebus, während er den Löffel aus der Papierserviette wickelte.
    Im Fernseher lief Golf. Sah windig aus oben am Loch Lomond. Rebus suchte vergeblich nach Salz und Pfeffer, beschloss dann aber, ohne auszukommen. Ein Mann in einem kurzärmeligen weißen Hemd blieb neben ihm stehen. Er tupfte sich mit einem großen Taschentuch das Gesicht ab. Sein schütteres Haar war nach hinten gekämmt.
    »Ganz schön warm heute«, verkündete er.
    »Gehören die zu Ihnen?«, fragte Rebus und deutete auf das Gedränge an den Tischen.
    »Ich wohl eher zu denen«, antwortete der Mann. »Ich hab noch nie so viele Besserwisser auf einmal gesehen …« Er schüttelte den Kopf und bat die Frau hinterm Tresen um ein großes Glas Orangensaft mit Zitronenlimonade und viel Eis. Sie zwinkerte, als sie es vor ihn hinstellte – er brauchte nicht zu bezahlen. Rebus wusste warum: Der Fahrer brachte seine Reisegruppen immer hierher und erhielt dafür auf Lebenszeit alles umsonst. Der Mann schien seine Gedanken zu lesen.
    »So ist nun mal der Lauf der Dinge«, meinte er.
    Rebus nickte. Wer wollte behaupten, dass der G8-Gipfel nicht ganz ähnlich funktionierte? Er fragte den Busfahrer, was für ein Ort Lesmahagow war.
    »Die Art von Kleinstadt, die einen Tagesausflug nach Coldstream attraktiv macht.« Er riskierte einen Blick auf seine Reisegruppe. Einige stritten sich wegen der Sitzordnung. »Ich schwöre Ihnen, die UN hätten ihre Schwierigkeiten mit diesem Haufen.« Er stürzte sein Getränk hinunter. »Sie waren nicht zufällig letzte Woche in Edinburgh?«
    »Ich arbeite dort.«
    Der Fahrer tat, als zuckte er zusammen. »Ich hatte siebenundzwanzig chinesische Touristen. Am Samstagmorgen mit dem Zug aus London angekommen. Konnte ich auch nur in die Nähe des Bahnhofs fahren, um sie abzuholen? Pustekuchen! Und welches Hotel hatten sie gebucht? Das Sheraton auf der Lothian Road. Mehr Sicherheitskräfte als im Hochsicherheitstrakt. Am Dienstag waren wir auf halbem Weg zur Rosslyn Chapel, als ich feststellte, dass wir aus Versehen einen der japanischen Delegierten mitgenommen hatten.« Der Fahrer begann zu glucksen, und Rebus fiel ein. Herrje, tat das gut.
    »Und Sie sind nur für den Tag hier unten?«, fragte der Mann. Rebus nickte. »Ein paar schöne Spaziergänge, wenn Ihnen danach ist... aber Sie scheinen mir nicht der Typ dafür zu sein.«
    »Sie sind ein guter Menschenkenner.«
    »Kommt von meinem Job.« Er machte eine leichte Kopfbewegung. »Sehen Sie den Haufen da hinten? Ich könnte Ihnen jetzt schon sagen, welche von denen mir am Ende ein Trinkgeld geben, und sogar, wie viel es sein wird.«
    Rebus bemühte sich, beeindruckt auszusehen. »Darf ich Ihnen noch eins ausgeben?« Das Glas des Mannes war leer.
    »Lieber nicht. Sonst brauche ich nämlich nachmittags einen Boxenstopp, und dann rennen die meisten von ihnen hinter mir her. Kann eine halbe Stunde dauern, bis

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