Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead
den Fernseher wieder ein und drückte die Mute-Taste an der Fernbedienung. Keine Nachrichten, nur Kinderprogramm und Popvideos. Der Hubschrauber kreiste wieder am Himmel. Er vergewisserte sich, dass es nichts mit seinem Mietshaus zu tun hatte.
»Nur weil du paranoid bist, John …«, murmelte er. Sein Telefon hatte aufgehört zu klingeln. Er rief Mairie Henderson an. Ein paar Jahre zuvor waren sie gut befreundet gewesen, hatten Informationen für Geschichten und Geschichten für Informationen ausgetauscht. Dann hatte sie ein Buch über Cafferty geschrieben – in enger Zusammenarbeit mit dem Gangster – und Rebus um ein Interview gebeten, was er jedoch ablehnte. Ihn später noch einmal gebeten.
»So wie Big Ger über dich redet«, hatte sie ihn zu beschwatzen versucht, »finde ich es wirklich notwendig, dass du auch deine Version präsentierst.«
Rebus hatte diese Notwendigkeit überhaupt nicht verspürt.
Was das Buch nicht daran gehindert hatte, ein Bestseller zu werden, nicht nur in Schottland, sondern weit darüber hinaus: USA, Kanada, Australien. Übersetzung in sechzehn Sprachen. Eine Weile konnte er nicht die Zeitung aufschlagen, ohne etwas darüber zu lesen. Einige Preise; Fernsehtalkshows mit der Journalistin und dem Gegenstand ihres Buches. Nicht genug, dass Cafferty sein Leben damit zugebracht hatte, Menschen und ihre Gemeinschaften zu ruinieren, sie zu terrorisieren … jetzt war er auch noch eine echte Berühmtheit.
Sie hatte Rebus ein Exemplar des Buches geschickt, das er postwendend zurückgehen ließ. Zwei Wochen später hatte er sich dann eins gekauft – zum halben Preis auf der Princes Street. Hatte es durchgeblättert, aber nicht den Mumm für das ganze Ding gehabt. Nichts ließ ihm die Galle schneller überlaufen als ein reuiger Sünder...
»Hallo?«
»Mairie, hier ist John Rebus.«
»Entschuldigen Sie, aber der einzige John Rebus, den ich kenne, ist tot.«
»Das ist aber nicht gerade nett.«
»Du hast mein Buch zurückgeschickt! Nachdem ich es für dich signiert hatte und alles!«
»Signiert?«
»Du hast nicht einmal die Widmung gelesen?«
»Was stand denn drin?«
»›Was immer du willst, lass mich in Ruhe!‹, stand drin.«
»Das tut mir leid, Mairie. Lass es mich wieder gutmachen.«
»Indem du mich um einen Gefallen bittest?«
»Wie hast du das erraten?« Er lächelte ins Telefon. »Gehst du zu der Demo?«
»Ich überlege noch.«
»Ich könnte dir einen Tofu-Burger spendieren.«
Sie schnaubte verächtlich. »So billig bin ich schon längst nicht mehr zu haben.«
»Dann gebe ich noch einen koffeinfreien Kaffee dazu …«
»Was, zum Teufel, willst du, John?« Die Worte klangen kalt, aber die Stimme wurde etwas wärmer.
»Ich hätte gern Informationen über einen Laden namens Pennen Industries. Gehörte früher zum Verteidigungsministerium. Ich glaube, zurzeit sind sie in der Stadt.«
»Und warum interessiert mich das?«
»Tut es nicht, aber mich …« Er machte eine Pause, um sich eine Zigarette anzustecken, stieß den Rauch aus, als er weitersprach. »Hast du von Caffertys Kumpel gehört?«
»Welchem?« Bemüht, nicht interessiert zu klingen.
»Cyril Colliar. Das fehlende Stück von seiner Jacke ist aufgetaucht.«
»Mit Caffertys Geständnis drauf? Er hat mir gesagt, du würdest nicht aufgeben.«
»Dachte nur, ich sag’s dir – sonst weiß es kaum jemand.«
Sie schwieg einen Augenblick. »Und Pennen Industries?«
»Etwas völlig anderes. Hast du von Ben Webster gehört?«
»Kam in den Nachrichten.«
»Pennen hat seinen Aufenthalt im Balmoral bezahlt.«
»Und?«
»Und ich würde gern etwas mehr über sie wissen.«
»Ihr Geschäftsführer heißt Richard Pennen.« Als sie seine Verwirrung spürte, musste sie lachen. »Schon mal was von Google gehört?«
»Und du hast das jetzt gemacht, während wir geredet haben?«
»Hast du überhaupt einen Computer zu Hause?«
»Ich habe mir einen Laptop gekauft.«
»Du kommst also ins Internet?«
»Theoretisch ja«, gestand er. »Aber hey, ich bin ein ausgefuchster Minesweeper-Spieler …«
Sie lachte wieder, und er wusste, dass zwischen ihnen wieder alles in Ordnung kommen würde. Im Hintergrund hörte er etwas zischen; dann das Klirren von Tassen.
»In welchem Café bist du?«, fragte er.
»Im Montpelier’s. Draußen sind Leute, alle weiß angezogen.«
Das Montpelier’s befand sich in Bruntsfield, fünf Minuten mit dem Auto. »Ich könnte kommen und dir diesen Kaffee spendieren. Dann kannst du mir zeigen, wie
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