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Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Titel: Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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gehen, dass es heute keine Ausschreitungen geben würde, nicht bei dieser Demonstration.
    Sie warf einen Blick auf ihr Handy. Keine Nachrichten. Sie hatte zweimal versucht, ihre Eltern zu erreichen, aber sie waren nicht drangegangen. Also machte sie noch einmal die Runde über den Platz. Vor einem parkenden Bus mit offenem Oberdeck war eine kleinere Bühne aufgebaut. Hier wurden Fernsehkameras bedient und Leute interviewt. Sie erkannte Pete Postlethwaite und Billy Boyd; erhaschte einen Blick auf Billy Bragg. Der Schauspieler, den sie unbedingt sehen wollte, war Gael Garcia Bernal, nur für den Fall, dass er wirklich aussah wie Gott persönlich …
    Die Schlangen vor den Imbisswagen mit vegetarischem Essen waren länger als die vor den Hamburgerwagen. Eine Zeitlang war sie auch Vegetarierin gewesen, hatte es jedoch vor einigen Jahren wieder aufgegeben und Rebus und die Schinkenbrötchen, die er immer genüsslich vor ihrer Nase verspeiste, dafür verantwortlich gemacht. Sie dachte kurz daran, ihm eine SMS zu schicken, um ihn hierherzulocken. Was würde er sonst schon tun? Er lag entweder auf dem Sofa oder lungerte in der Oxford Bar herum. Doch letztlich schickte sie ihren Eltern eine SMS und ging dann wieder zu den wartenden Schlangen. Transparente wurden hochgehalten; Pfeifen und Trommeln waren zu hören. Diese ganze Energie in der Luft … Rebus würde jetzt sagen, sie sei vergeudet. Die politischen Abmachungen seien bereits woanders getroffen worden. Und er hätte recht damit: Die Typen im Sorbus-Hauptquartier hatten ihr genau das Gleiche erzählt. Gleneagles sei für private Besprechungen und öffentliche Fototermine. Die eigentlichen Vereinbarungen seien schon vorher von normaleren Sterblichen, allen voran den Finanzministern, ausgehandelt worden. Das alles sei hinter verschlossenen Türen vonstattengegangen und werde durch acht Unterschriften am letzten Tag des G8-Gipfels ratifiziert.
    »Und was kostet das alles?«, hatte Siobhan gefragt.
    »Hundertfünfzig Millionen, grob gerechnet.«
    Die Antwort ließ DCI Macrae scharf die Luft einziehen. Siobhan hatte wortlos die Lippen geschürzt.
    »Ich weiß, was Sie denken«, hatte ihr Informant hinzugefügt. »Für so eine Summe kann man eine Menge Impfstoff kaufen …«
    Auf allen Wegen durch die Meadows standen die wartenden Demonstranten jetzt in Viererreihen. Eine Schlange, die sich neu gebildet hatte, reichte zurück bis zu den Tennisplätzen und der Buccleuch Street. Als Siobhan sich daran vorbeiquetschte – von ihren Eltern immer noch keine Spur -, nahm sie am Rand ihres Gesichtsfeldes einen verschwommenen Farbeindruck wahr. Hellgelbe Jacken, die die Meadow Lane hinuntereilten. Sie folgte ihnen um die Ecke auf den Buccleuch Place.
    Und blieb abrupt stehen.
    Ungefähr sechzig schwarz gekleidete Demonstranten waren von der doppelten Anzahl Polizisten eingekreist worden. Diese Demonstranten hatten Tröten, die ein ohrenbetäubendes Schnarren von sich gaben. Sie trugen Sonnenbrillen und hatten die Gesichter mit schwarzen Tüchern vermummt. Manche hatten Kapuzenpullover an, schwarze Kampfhosen und Stiefel, ein paar Halstücher. Sie trugen keine Plakate, und keiner von ihnen lächelte. Schutzschilde waren alles, was sie von der Polizeikette trennte. Irgendjemand hatte das Anarchistensymbol auf mindestens ein transparentes Schild gesprüht. Die Masse der Demonstranten drängte vorwärts und verlangte Zutritt zu den Meadows.
    Doch die Polizeitaktik sah anders aus: Das Ganze in Schach zu halten war oberstes Gebot. Eine in Schach gehaltene Demo war eine beherrschte Demo. Siobhan war beeindruckt: Ihre Kollegen mussten gewusst haben, dass die Autonomen unterwegs waren. Sie hatten rasch ihre Positionen eingenommen und waren fest entschlossen, die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen. Es gab noch ein paar andere Zuschauer, die hin und her gerissen waren zwischen diesem Spektakel und dem Bedürfnis, sich der Demonstration anzuschließen. Manche von ihnen hatten ihr Fotohandy gezückt. Siobhan schaute sich um und vergewisserte sich, dass nicht eine neu hinzukommende Einheit Bereitschaftspolizisten versuchte, sie einzukreisen. Die Stimmen innerhalb des Polizeikordons klangen ausländisch, vielleicht spanisch oder italienisch. Einige der Namen kannte sie: Ya Basta; Black Bloc. Kein Anzeichen von etwas so Ausgefallenem wie den Wombles oder der Rebel Clown Army.
    Sie fuhr mit der Hand in die Tasche und hielt ihre Dienstmarke fest umklammert. Sie wollte sie vorzeigen können,

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