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Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Titel: Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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keine Spur von ihrem Vater. Blutflecken auf dem Boden, denen sie mit den Augen folgte. Sie endeten kurz vor dem Tor. Ein weiteres Mal umkreiste sie den Kiosk. Schlug an das verrammelte Kioskfenster. Versuchte es noch einmal. Hörte von drinnen eine gedämpfte Stimme.
    »Siobhan?«
    »Dad? Bist du da drin?«
    Die Seitentür wurde aufgerissen. Drinnen stand ihr Vater und neben ihm die verängstigte Kioskbesitzerin.
    »Wo ist Mum?«, fragte Siobhan mit zitternder Stimme.
    »Sie haben sie zum Krankenwagen gebracht. Ich konnte nicht mit … sie haben mich nicht durch die Polizeikette gelassen.«
    Siobhan konnte sich nicht erinnern, ihren Vater jemals in Tränen gesehen zu haben, aber jetzt weinte er. Weinte und stand offensichtlich unter Schock.
    »Wir müssen euch hier rausbringen.«
    »Mich nicht«, sagte die Kioskbesitzerin kopfschüttelnd. »Ich halte hier die Stellung. Aber ich hab gesehen, was passiert ist … Scheißpolizei. Sie stand einfach nur da …«
    »Es war einer ihrer Stöcke«, fügte Siobhans Vater hinzu. »Direkt auf den Kopf.«
    »Das Blut quoll heraus …«
    Siobhan brachte die Frau mit einem Blick zum Schweigen. »Wie heißen Sie?«, fragte sie.
    »Frances … Frances Neagley.«
    »Also, Frances Neagley, wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, verlassen Sie den Kiosk.« Dann an ihren zitternden Vater gewandt: »Komm, gehen wir.«
    »Was?«
    »Wir müssen Mum suchen.«
    »Aber was ist mit …?«
    »Das geht in Ordnung. Und jetzt komm !« Sie zog an seinem Arm, spürte, dass sie ihn notfalls auch mit Gewalt hinausgezerrt hätte. Frances Neagley schloss hinter ihnen die Tür und verriegelte sie.
    Wieder flog ein Rasenstück vorbei. Siobhan wusste, dass man sich morgen – typisch Edinburgh! – hauptsächlich über die Zerstörung der berühmten Blumenrabatten beschweren würde. Die Tore waren von den Demonstranten aus der Frederick Street aufgedrückt worden. Ein als piktischer Krieger verkleideter Mann wurde an den Armen hinter die Polizeilinie gezogen. Unmittelbar vor der Polizeikette wechselte eine junge Mutter in aller Ruhe ihrem rosa gekleideten Baby die Windeln. Jemand schwenkte ein Transparent mit der Aufschrift NO GODS, NO MASTERS. Die Buchstaben X und S … das Baby in Rosa … die Botschaft auf dem Transparent – das alles kam ihr so unglaublich prägnant vor, schicksalhafte Schnappschüsse, deren Sinn sie nicht so recht erfassen konnte.
    Hier haben wir ein Muster, eine Bedeutung sozusagen …
    Etwas, was sie Dad später würde fragen müssen …
    Fünfzehn Jahre zuvor hatte er einmal versucht, ihr die Semiotik zu erklären, vermutlich um ihr bei einem Schulaufsatz zu helfen, sie damit aber nur noch mehr verwirrt. In der Klasse hatte sie sie dann »Samiotik« genannt, woraufhin ihr Lehrer laut loslachen musste …
    Siobhan hielt nach ihr bekannten Gesichtern Ausschau. Entdeckte jedoch keins. Die Weste eines Polizisten trug aber die Aufschrift »Polizeisanitäter«. Sie näherte sich ihm mit hochgehaltener Dienstmarke, ihren Vater im Schlepptau.
    »CID«, erklärte sie. »Die Frau dieses Mannes ist ins Krankenhaus eingeliefert worden. Ich muss ihn dort hinbringen.«
    Der Beamte nickte und führte sie durch die Polizeilinie.
    »Welches Krankenhaus?«, fragte der Sanitäter.
    »Was vermuten Sie?«
    »Keine Ahnung«, gab er zu. »Ich komme aus Aberdeen.«
    »Das Western General ist das nächstgelegene«, erklärte Siobhan. »Gibt es irgendwelche Transportmittel?«
    Er deutete die Frederick Street entlang. »Die Straße, die diese hier am Ende kreuzt.«
    »George Street?«
    Er schüttelte den Kopf. »Die nächste.«
    »Queen Street?« Sie sah ihn nicken. »Danke«, sagte sie. »Sie gehen besser wieder zurück.«
    »Vermutlich«, erwiderte er ohne große Begeisterung. »Manche von ihnen legen sich etwas zu sehr ins Zeug … Nicht unsere Leute – die von der Met.«
    Siobhan drehte sich zu ihrem Vater um. »Könntest du ihn vielleicht identifizieren?«
    »Wen?«
    »Den, der Mum geschlagen hat.«
    Er rieb sich mit einer Hand über die Augen. »Ich glaube nicht.«
    Sie gab ein kurzes, verärgertes Geräusch von sich und führte ihn den Hügel hinauf zur Queen Street.
    Dort parkte eine Reihe Streifenwagen. Unglaublich, aber wahr, es gab auch fließenden Verkehr: All die Autos und Lastwagen, die von der Hauptstraße umgeleitet worden waren, krochen hier vorbei, als wäre es ein anderer Tag, ein anderer Pendlerverkehr. Siobhan erklärte dem Fahrer eines Streifenwagens, was Sache war. Er schien erleichtert

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