Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead
bei der Aussicht, den Ort verlassen zu können. Sie stieg mit ihrem Vater hinten ein.
»Blaulicht und Martinshorn«, wies sie den Fahrer an. Rundumleuchte und Sirene. Sie fuhren langsam an der Autoschlange vorbei und nahmen dann Geschwindigkeit auf.
»Ist das der richtige Weg?«, rief der Fahrer.
»Woher kommen Sie?«
»Peterborough.«
»Geradeaus, ich sage Ihnen, wann Sie abbiegen müssen.« Sie drückte die Hand ihres Vaters. »Bist du nicht verletzt?«
Er schüttelte den Kopf und heftete seinen Blick auf sie. »Was ist mit dir?«
»Was soll mit mir sein?«
»Du bist unglaublich.« Teddy Clarke lächelte müde. »Wie du vorhin gehandelt und die Sache in die Hand genommen hast …«
»Bin gar nicht so dumm, wie ich aussehe, was?«
»Ich habe mir eigentlich nie überlegt«, sagte er, »wie gut du darin sein könntest.«
»Sei bloß froh, dass ich nicht im uniformierten Dienst bin, sonst hätte ich vielleicht auch einen dieser Schlagstöcke geschwungen.«
»Du hättest nicht auf eine unschuldige Frau eingeschlagen«, erwiderte ihr Vater entschieden.
»An der Ampel geradeaus«, erklärte sie dem Fahrer, bevor sie sich wieder ihrem Vater zuwandte. »Es ist schwer zu sagen, nicht? Wir wissen erst, wie wir handeln werden, wenn wir tatsächlich in der Situation sind.«
»Du würdest es nicht tun«, beharrte er.
»Wahrscheinlich nicht«, räumte sie ein. »Was, zum Teufel, habt ihr da überhaupt gemacht? Hat Santal euch mitgenommen?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube, wir waren … wir dachten, wir wären Zuschauer. Die Polizei hat das anders gesehen.«
»Wenn ich rauskriege, wer …«
»Ich hab sein Gesicht nicht richtig gesehen.«
»Bei der Kamerapräsenz ist es ganz schön schwierig, sich zu verstecken.«
»Fotos?«
Sie nickte. »Dazu noch Videoüberwachung, die Medien und wir natürlich.« Sie schaute ihn an. »Die Polizei wird alles gefilmt haben.«
»Aber bestimmt …«
»Was?«
»Du kannst das doch nicht alles durchgehen?«
»Wollen wir wetten?«
Er betrachtete sie einen Augenblick. »Nein, lieber nicht.«
An die hundert Festnahmen. Die Gerichte würden am Dienstag alle Hände voll zu tun haben. Bis zum Abend hatte sich die Pattsituation von den Princes Street Gardens in die Rose Street verlagert. Pflastersteine wurden aus dem Straßenbelag gerissen und zu Wurfgeschossen umfunktioniert. Kleinere Zusammenstöße gab es auf der Waverley Bridge, der Cockburn Street und der Infirmary Street. Bis halb zehn hatte sich, bis auf ein bisschen Ärger vor McDonald’s in der South St Andrew Street, alles einigermaßen beruhigt. Inzwischen waren die uniformierten Polizisten wieder am Gayfield Square und hatten Burger mitgebracht, deren Geruch bis in die Räume des CID drang. Rebus sah fern – einen Dokumentarfilm über einen Schlachthof. Eric Bain hatte ihm gerade eine Liste von E-Mail-Adressen geschickt – regelmäßige Besucher von Sexbestien-im-Visier. Geendet hatte seine E-Mail mit den Worten: »Shiv, lass mich wissen, wie’s dir ergangen ist!!« Rebus hatte versucht, sie auf dem Handy zu erreichen, aber sie war nicht drangegangen. Bains E-Mail war zu entnehmen, dass die Jensens ihm keine Schwierigkeiten gemacht hatten, aber auch nur »widerstrebend kooperativ« gewesen waren.
Neben Rebus lag die Evening News. Auf der Titelseite ein Bild der Demonstration vom Samstag und die Schlagzeile »Abstimmung mit den Füßen«. Denselben Aufhänger würden sie auch morgen wieder verwenden können, diesmal mit dem Foto eines Randalierers, der nach einem Polizeischild trat. Auf dem Fernsehschirm erschien der Titel des Schlachthoffilms – Slaughterhouse: the Task of Blood. Rebus stand auf und ging zu einem der freien Schreibtische. Die Colliar-Akten starrten ihn an. Siobhan war fleißig gewesen und hatte Polizei- und Gefängnisberichte über den Schnellen Eddie Isley und Trevor Guest hinzugefügt.
Guest: Einbrecher, Schläger, Sexualstraftäter.
Isley: Vergewaltiger.
Colliar: Vergewaltiger.
Rebus wandte sich den Aufzeichnungen über die Website zu. Es gab Beiträge mit Einzelheiten über achtundzwanzig weitere Vergewaltiger und Kinderschänder. Ein langer, wütender Artikel kam von einer Person, die sich »Innerlichzerfetzt« nannte – für Rebus’ Empfinden mit ziemlicher Sicherheit eine Frau. Sie schimpfte über die Rechtsprechung und deren in Stein gemeißelte Urteile über »Vergewaltigung« gegenüber »sexueller Nötigung«. Es sei schon schwierig genug, eine Verurteilung für
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