Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead
meiner Bekannten eingelocht.« Rebus erinnerte sich: Cafferty hatte Verbindungen zu den Londoner Banden alter Schule. »Ist er auch hier?«
»Wohnt im Balmoral.« Rebus hielt inne. »Ich hätte nichts dagegen zu erfahren, auf wessen Kosten.«
»Wenn man glaubt, es könnte einen nichts mehr überraschen«, meinte Cafferty, »kommt John Rebus daher und bittet einen, beim Special Branch herumzuschnüffeln … Ich werde das Gefühl nicht los, dass das nichts mit Cyril Colliar zu tun hat.«
»Wie gesagt, das erzähle ich Ihnen später.«
»Und was machen Sie im Moment?«
»Arbeiten.«
»Lust auf einen Drink?«
»So weit bin ich noch nicht gesunken.«
»Ich auch nicht, dachte nur, ich biete es Ihnen an.«
Rebus überlegte kurz, spielte mit dem Gedanken. Aber die Leitung war schon tot. Er setzte sich und zog einen Block zu sich her. Darauf stand alles, was er an dem Abend zustande gebracht hatte:
Groll auf?
Mögl. Opfer?
Zugang zu H …
Auchterarder – lokale Verbindung?
Wer ist der Nächste?
Bei der letzten Zeile kniff er die Augen zusammen. Komisch: Who’s next? war der Titel eines Who-Albums, das zu Michaels Lieblingsalben gehört hatte. Und ein Titel daraus war »Won’t get fooled again«, heute die Erkennungsmelodie einer der verschiedenen CSI -Serien. Mit einem Mal verspürte er den Drang, mit jemandem zu sprechen, vielleicht seiner Tochter oder seiner Exfrau. Familienbande. Er dachte an Siobhan und ihre Eltern. Versuchte, nicht gekränkt zu sein, weil sie nicht gewollt hatte, dass er sie kennenlernte. Sie sprach nie von ihnen; eigentlich wusste er gar nicht genau, wie viel Familie sie besaß.
»Weil du nie fragst«, rügte er sich selbst. Sein Handy piepte, das Zeichen für eine SMS. Absender: Shiv. Er öffnete sie.
Kö w u im WGH treff?
WGH war das Western General Hospital. Er hatte keine Berichte über verletzte Polizisten gehört … kein Grund, warum sie in der Princes Street oder dort in der Nähe hätte sein sollen.
Lass mich wissen, wie’s dir ergangen ist!!
Auf dem Weg zum Parkplatz versuchte er es noch einmal auf ihrer Nummer. Nur das Besetztzeichen. Er sprang ins Auto und warf sein Handy auf den Beifahrersitz. Als es klingelte, war er noch keine fünfzig Meter gefahren. Er griff danach, klappte es auf.
»Siobhan?«, fragte er.
»Was?« Eine weibliche Stimme.
»Hallo?« Er biss die Zähne zusammen, während er versuchte, mit einer Hand zu steuern.
»Ist da … Eigentlich wollte ich … Ach, egal.« Die Verbindung brach ab, und er warf das Handy wieder neben sich auf den Beifahrersitz. Nachdem es dort abgeprallt war, fiel es in den Fußraum. Er schloss die Fäuste um das Steuerrad und trat kräftig aufs Gaspedal.
10
An der Forth Road Bridge gab es einen Rückstau. Das störte jedoch keinen von beiden. Es gab viel zu besprechen und außerdem viel zu überlegen. Siobhan hatte Rebus alles erzählt. Teddy Clarke durfte bei seiner Frau bleiben. Die Pflegekräfte hatten vorgeschlagen, ihm ein provisorisches Bett zu richten. Gleich am nächsten Morgen sollte eine Computertomografie durchgeführt werden, um einen Gehirnschaden auszuschließen. Der Stock hatte sie an der oberen Gesichtshälfte getroffen: beide Augen geschwollen und blau angelaufen, eins sogar vollständig geschlossen. Die Nase mit Verbandsmull bedeckt, aber nicht gebrochen. Rebus hatte gefragt, ob die Gefahr bestehe, dass sie das Augenlicht verlor. Auf einem Auge vielleicht, hatte Siobhan eingeräumt.
»Nach der CT bringen sie sie in die ophthalmologische Abteilung. Aber wissen Sie, was am schlimmsten war, John?«
»Die Erkenntnis, dass Ihre Mutter nur ein Mensch ist?«, mutmaßte Rebus.
Siobhan hatte langsam den Kopf geschüttelt. »Sie sind gekommen und haben sie verhört.«
»Wer?«
»Die Polizei.«
»Das ist ja ein starkes Stück.«
Worauf sie schroff gelacht hatte. »Sie wollten aber nicht herausfinden, wer sie geschlagen hatte, sondern wissen, was sie getan hatte …«
Klar, hatte sie nicht schließlich zu den Krawallmachern gehört? Und in der ersten Reihe gestanden?
»Meine Güte«, hatte Rebus gemurmelt. »Waren Sie dort?«
»Dann wäre da der Teufel los gewesen.« Und einen Moment später, kaum lauter als ein Flüstern: »Ich hab das da unten gesehen, John.«
»Sah ganz schön haarig aus, nach den Fernsehbildern zu urteilen.«
»Die Polizei hat überreagiert.« Sie hatte ihm fest in die Augen geschaut, wollte, dass er ihr widersprach.
»Sie sind wütend, Siobhan«, war alles, was er sagte, während
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