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Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead

Titel: Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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erklärte Rebus und deutete mit dem Kopf auf die einzige weitere Anwesende im Raum. DS Ellen Wylie blickte von dem Bericht auf, hinter dem sie sich verschanzt hatte. Ihr blondes, in der Mitte gescheiteltes Haar trug sie kurz geschnitten. Seit der Zeit, als Rebus ein paar Fälle mit ihr zusammen bearbeitet hatte, hatte sie zugenommen. Ihre Wangen waren runder geworden und jetzt leuchtend rot – etwas, worauf Reynolds genüsslich hinwies, indem er die Hände gegeneinanderrieb und dann in ihre Richtung streckte, als wärmte er sie an einem offenen Feuer. Sie erhob sich, allerdings ohne Blickkontakt mit dem Eindringling aufzunehmen. Davidson fragte, ob es um etwas gehe, was er wissen sollte. Rebus zuckte lediglich die Achseln. Wylie hatte die Jacke von der Rückenlehne ihres Stuhls genommen und ihre Schultertasche umgehängt.
    »Ich wollte sowieso Feierabend machen«, verkündete sie in den Raum hinein. Reynolds pfiff durch die Zähne und stieß mit dem Ellbogen in die Luft.
    »Was meinst du, Shug? Ist doch nett, wenn zwischen Kollegen die Liebe erblüht.« Gelächter folgte ihr, während sie den Raum verließ. Im Flur lehnte sie sich an die Wand und ließ den Kopf sinken.
    »Langer Tag?«, fragte Rebus.
    »Haben Sie je versucht, einen deutschen Anarchosyndikalisten zu vernehmen?«
    »In letzter Zeit nicht.«
    »Sie mussten alle heute Nacht vernommen werden, damit sie morgen den Gerichten überstellt werden können.«
    »Heute«, berichtigte Rebus und tippte auf seine Uhr. Sie sah auf ihre eigene.
    »Ist es wirklich schon so spät?« Sie klang erschöpft. »In sechs Stunden bin ich schon wieder hier.«
    »Wenn die Pubs noch geöffnet wären, würde ich Sie ja zu einem Drink einladen.«
    »Ich brauche keinen Drink.«
    »Soll ich Sie heimfahren?«
    »Mein Auto steht draußen.« Sie überlegte einen Moment. »Nein, tut es nicht – ich hab’s ja heute stehen lassen.«
    »Gar nicht dumm.«
    »Das hat man uns geraten.«
    »Voraussicht ist eine prima Sache. Und es bedeutet, dass ich Sie letztlich doch nach Hause bringen kann.« Rebus wartete, bis sie ihn ansah. Er lächelte. »Sie haben immer noch nicht gefragt, was ich eigentlich will.«
    »Ich weiß, was Sie wollen.« Sie nahm eine leicht drohende Haltung ein, und er hob wie zum Zeichen der Kapitulation die Hände.
    »Ist ja auch nicht mehr schwer«, entgegnete er. »Ich möchte nicht, dass Sie …«
    »Dass ich?«
    Und dann landete er seine Pointe: »Innerlich zerfetzt werden.«
     
    Ellen Wylie bewohnte zusammen mit ihrer geschiedenen Schwester ein Haus.
    Es war ein Reihenmittelhaus in Cramond. Der rückwärtige Garten grenzte mit einer steilen Böschung an den River Almond. Da die Nacht mild war und Rebus eine Zigarette brauchte, setzten sie sich an einen Tisch im Freien. Wylie hielt ihre Stimme gesenkt – wollte keine Beschwerde der Nachbarn riskieren, und außerdem stand das Schlafzimmerfenster ihrer Schwester offen. Sie hatte Tassen mit Tee und viel Milch herausgebracht.
    »Netter Fleck«, meinte Rebus zu ihr. »Mir gefällt, dass Sie das Wasser hören können.«
    »Gleich da drüben ist ein Wehr.« Sie deutete in die Dunkelheit. »Das überdeckt den Flugzeuglärm.«
    Rebus nickte zustimmend: Sie befanden sich direkt in der Einflugschneise zumTurnhouse Airport. Zu dieser nachtschlafenden Zeit hatten sie vom Torphichen Place hierher nur eine Viertelstunde gebraucht. Auf dem Weg hatte sie ihm ihre Geschichte erzählt.
    »Ich habe also etwas für die Website geschrieben … ist doch kein Verbrechen, oder? Ich hatte so die Schnauze voll von dem System. Wir reißen uns den Arsch auf, um diese Bestien vor Gericht zu bringen, und dann setzen die Anwälte alles dran, damit deren Strafmaß nach und nach auf ein Nichts zusammenschrumpft.«
    »Das war alles?«
    Sie war unruhig auf dem Beifahrersitz hin und her gerutscht. »Was denn sonst?«
    »Innerlichzerfetzt – klingt irgendwie persönlicher.«
    Sie hatte zum Fenster hinausgestarrt. »Nein, John, nur wütend. Habe zu viele Stunden mit Fällen von Vergewaltigung, sexueller Nötigung, häuslicher Gewalt zugebracht – vielleicht muss man eine Frau sein, um das zu verstehen.«
    »Weshalb Sie Siobhan zurückgerufen haben? Ich erkannte Ihre Stimme sofort.«
    »Ja, das war besonders hinterhältig von Ihnen.«
    »Bin dafür bekannt …«
    Jetzt, wo sie bei einem kühlen Lüftchen im Garten saßen, knöpfte Rebus seine Jacke zu und stellte ihr Fragen über die Website. Wie sie sie gefunden hatte. Ob sie die Jensens kannte. Ob sie

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