Im Namen der Toten - Rankin, I: Im Namen der Toten - The Naming of the Dead
meinst, der Stadtrat?« Rebus folgte der Richtung ihres Fingers. »Womöglich den Heiden eine Predigt halten«, mutmaßte er, während er beobachtete, wie Tench sich in einer Art Krebsgang an der Reihe von Fotografen entlangbewegte. »Vielleicht möchte er, dass du ihn noch einmal interviewst.«
»Woher weißt du …? Vermutlich hat Siobhan es dir erzählt.«
»Zwischen Siobhan und mir gibt es keine Geheimnisse.« Rebus zwinkerte ihr zu.
»Wo ist sie denn jetzt?«
»Unten beim Scotsman.«
»Dann müssen meine Augen mich täuschen.« Wieder streckte Mairie den Finger aus. Und tatsächlich, es war Siobhan. Tench war unmittelbar vor ihr stehen geblieben, und jetzt schüttelten die beiden sich die Hand. »Keine Geheimnisse zwischen euch, wie?«
Aber Rebus war schon unterwegs. Dieses Ende der Straße war für den Verkehr gesperrt und dadurch leicht zu überqueren.
»Hallo!«, sagte er. »Plötzlicher Sinneswandel?«
Siobhan lächelte schwach und machte ihn mit Tench bekannt.
»Inspector«, sagte der Stadtrat mit einem leichten Kopfnicken.
»Sie sind ein Fan des Straßentheaters, nicht wahr, Councillor Tench?«
»Zur Festivalzeit habe ich nichts dagegen«, erwiderte Tench glucksend.
»Haben wohl selbst ein bisschen gespielt, wie?«
Tench wandte sich Siobhan zu. »Der Inspector meint meine kleinen Predigten sonntagmorgens am Fuß des Mound. Sicher ist er auf dem Weg zur Kirche für einen Moment stehen geblieben.«
»Ich meine, ich sehe Sie dort gar nicht mehr«, fügte Rebus hinzu. »Sind Sie vom Glauben abgefallen?«
»Weit davon entfernt, Inspector. Man kann seine Botschaft aber auch noch anders rüberbringen als durch Predigen.« Sein Gesicht nahm einen seriös-professionellen Ausdruck an. »Ich bin hier, weil einige Bürger aus meinem Wahlkreis in diesen ganzen Aufruhr gestern verwickelt waren.«
»Sicher unbeteiligte Zuschauer«, kommentierte Rebus.
Tenchs Blick wanderte zu ihm, dann wieder zu Siobhan. »Es muss ja ein Vergnügen sein, mit dem Inspector zu arbeiten.«
»Ich komme aus dem Lachen nicht mehr raus«, stimmte Siobhan zu.
»Ah! Die Presse ist auch da!«, rief Tench und streckte die Hand nach Mairie aus, die sich nun auch zu ihnen gesellte. »Wann kommt denn unser Artikel? Ich nehme an, Sie kennen diese beiden Hüter der Wahrheit.« Er deutete auf Rebus und Siobhan. »Sie haben mir versprochen, dass ich einen kleinen Blick darauf werfen kann, bevor er veröffentlicht wird«, erinnerte er Mairie.
»Habe ich das?« Sie versuchte, überrascht auszusehen, aber darauf fiel Tench nicht herein. Er wandte sich an die beiden Kriminalbeamten.
»Ich glaube, ich muss kurz unter vier Augen …«
»Lassen Sie sich durch uns nicht stören«, entgegnete Rebus. »Siobhan und ich brauchen auch einen Moment.«
»Tatsächlich?« Aber Rebus hatte sich schon abgewandt, und Siobhan blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.
»Sandy Bell’s dürfte geöffnet haben«, sagte er, als sie außer Hörweite waren. Aber sie war damit beschäftigt, die Menge abzusuchen.
»Ich muss hier jemanden treffen«, erklärte sie. »Einen Fotografen, den ich kenne … anscheinend ist er hier irgendwo.« Sie stand auf den Zehenspitzen. »Ahh …« Sie bahnte sich einen Weg in das Gedränge aus Journalisten. Die Fotografen zeigten sich auf den Displays ihrer Digitalkameras gegenseitig die Fotos, die sie geschossen hatten. Rebus wartete ungeduldig, während Siobhan auf eine drahtige Gestalt mit kurzem, graumeliertem Haar einredete.Wenigstens hatte er jetzt eine Erklärung: Sie war zum Scotsman gegangen, um dort zu erfahren, dass der Mann, den sie treffen wollte, hier war. Der Fotograf ließ sich eine Weile bitten, folgte ihr aber schließlich zu Rebus, der mit verschränkten Armen dastand.
»Das ist Mungo«, sagte Siobhan.
»Was würde Mungo zu einem Drink sagen?«, fragte Rebus.
»Das fände er prima«, antwortete der Fotograf und wischte sich dabei den Schweiß von der Stirn. Er hatte ein fein geschnittenes, wettergegerbtes Gesicht und einen dazu passenden Akzent sowie vor der Zeit ergrautes Haar, obwohl er vermutlich nicht viel älter war als Siobhan.
»Western Isles?«, riet Rebus.
»Lewis«, bestätigte Mungo, als Rebus zu Sandy Bell’s vorausging. Hinter ihnen ertönte wieder Jubelgeschrei, und als sie sich umwandten, sahen sie einen jungen Mann aus dem Sheriff Court heraustreten.
»Ich glaube, den kenne ich«, sagte Siobhan leise. »Das ist der, der die Zeltstadt tyrannisiert hat.«
»Dann gab es letzte Nacht
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