Im Namen des Kreuzes
Pater stutzte. »Eklig?«
»Ja, das Blut.«
»Blut?«
»Die hatte ihre Tage, Mann, scheiße.«
Plötzlich war es still. Als hätte jemand einen Film angehalten. Jetzt packt er mich, dachte Patrick, jetzt ist es so weit.
Aber Pater Anselm trat einen Schritt zurück. Er hustete trocken. Zweimal. Dann sagte er: »Weißt du denn, was deine Sünde war, Patrick?«
»Ich hätte nicht mitgehen dürfen, oder?«
»Das ist richtig, aber etwas anderes war viel schlimmer.«
»Und was?«
»Du hast einen Menschen in seiner Not allein gelassen. Du warst das Gegenteil von einem barmherzigen Samariter.«
Patrick hörte es an der müden Stimme: Er hatte es geschafft. Ihm konnte nichts mehr passieren. Pater Anselm würde ihn nicht anfassen. Nicht in dieser Nacht.
Er setzte sein unschuldigstes Gesicht auf und blickte sich um. »Ich finde das auch total scheiße von mir.«
Der Pater wirkte kraftlos, sein Gesicht war eingefallen. »Du bereust deine Sünden und bittest den Herrn um Vergebung?«
»Ja. Aber ich möchte noch fertig beichten.«
Er erzählte unaufgefordert, wie sie von zwei Männern entdeckt worden waren, wie die meisten abhauen konnten, nur er, Kevin und Drago nicht. Wie die Polizei sie stundenlang verhört hatte, er aber trotzdem keinen von den anderen verraten hatte. Er wollte wissen, ob das auch eine Sünde war. Ob Gott echt verlangte, dass man seine Kumpel verpfiff.
Er blickte über die Schulter und hatte den Eindruck, dass der Pater gar nicht zugehört hatte. Und drei Vater unser als Buße erschienen Patrick eindeutig zu wenig. »Mach ich, kein Problem«, sagte er.
Pater Anselm breitete die Arme aus.
»Nachlass, Vergebung und Verzeihung deiner Sünden schenke dir der allmächtige und barmherzige Herr. Mit der Vollmacht unseres Herrn Jesus Christus spreche ich dich los im Namen des Vaters, des Sohnes, des Heiligen Geistes. Amen.«
»Amen«, sagte Patrick.
»Das Leiden unseres Herrn Jesus Christus, die Verdienste der allerseligsten Jungfrau Maria und aller Heiligen, und alles, was du Gutes getan und Schlimmes ertragen hast, gereiche dir zum Nachlass der Sünden, zur Mehrung der Gnade und zum Lohne des ewigen Lebens. Amen.«
»Amen.«
Als Patrick endlich im Bett lag, schlotterte er. »Danke, Jesus«, flüsterte er, »das war voll geil von dir. Danke.«
19.
Am nächsten Morgen wachte Anton Schwarz wieder mal in seinem Deckchair auf mit dem Effekt, dass er sich nur mit gebeugtem Rücken und den Händen an den Knien einigermaßen schmerzfrei bewegen konnte. Er überlegte, ob er den Osteopathen seiner Tochter anrufen sollte, setzte dann aber doch lieber auf die Heilkraft eines dreifachen Espresso. Er suchte stöhnend nach seinem fleckigen italienischen Kocher, fand ihn auf dem Schreibtisch und trug ihn zur Küche.
Während er darauf wartete, dass der Kaffee zu sprudeln begann, fragte er sich, wie das mit Eva und ihm eigentlich weitergehen sollte. Mach dir nichts vor, Anton, du bist ein alter Sack, ein Eigenbrötler und nur aus Versehen charmant, eine Traumfrau wie Eva …
Wie auf Bestellung vibrierte sein Handy in der Hosentasche. Sein Herz machte einen Hüpfer.
»Wie geht es dir an diesem wunderschönen Morgen, Anton?«
»Ausgezeichnet.«
»Dann komme ich gleich vorbei.«
»Äh, Eva, das ist aus … technischen Gründen nicht möglich.«
»Aus technischen Gründen?«
»Ich kann dich heute unmöglich die Treppe hochtragen.« Er räusperte sich. »Ich habe einen Hexenschuss.«
»O, du Armer.« Sie lachte.
Hörte er da leichten Spott?
»Dann richten wir unser Büro eben bei mir ein. Ist das okay?«
Unser Büro? Er hatte noch nie ein Büro gehabt.
»Gute Idee«, sagte er.
»Oder soll ich dich vorher zum Osteopathen bringen?«
»Nein, danke, ich bin bereits in Behandlung.« Er hörte, dass der Kaffee so weit war. »Dann bis gleich, Eva.«
»Ich freue mich.«
Eine halbe Stunde später stand Schwarz in einigermaßen aufrechter Haltung vor Evas Haus – genauer gesagt, dem Haus ihrer Eltern. Evas Vater war wie immer auf Geschäftsreise, aber ihre Mutter ließ es sich nicht nehmen, ihn persönlich zu begrüßen.
»Herzlich willkommen, Herr Schwarz. Meine Tochter hat schon so viel von Ihnen erzählt.«
Ich wüsste gern, was, dachte Schwarz und hielt unauffällig nach Eva Ausschau.
»Sie ist noch im Bad, kommen Sie doch mit in die Küche.«
Frau Hahn war eine sehr attraktive Frau. Das dichte dunkelbraune Haar und die blauen Augen musste Eva von ihr haben. Und sie war – wenn er sich
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