Im Namen des Kreuzes
ein heiseres Krächzen zustande.
»Was ist denn? Komm: heiliger Schutzengel …«
»Ich kann nicht beten«, sagte Patrick mit zittriger Stimme, »ich muss erst beichten.«
»Beichten?«
Der Druck von Pater Anselms Hand wurde leichter.
Patrick drehte den Kopf nach hinten. »Bitte.«
Er blickte in das rot gefleckte Gesicht des Paters. Er sah, dass dessen Lippen glänzten, und er sah den Speichelfaden im Mundwinkel.
»Willst du dich aus voller Überzeugung vom Bösen abwenden?«
»Ja, das will ich.«
Der Pater sah ihn forschend an. Patrick senkte demütig den Blick.
»Dann bitte zuerst um meinen Segen.«
»Ich bitte um Ihren Segen.«
»… ehrwürdiger Vater.«
»Ehr… würdiger Vater.«
Pater Anselm ließ die rechte Hand über Patricks Kopf schweben. »Der Herr sei in deinem Herzen, damit du alle deine Sünden recht beichtest: Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.«
»Amen.«
Beide bekreuzigten sich.
»Und nun bekenne in tiefer Demut und Reue.«
Patrick hatte die ganze Zeit an die Bemerkung von Max gedacht: ›Wenn du ihm was über Weiber erzählst, lässt er dich sogar ganz in Frieden.‹
Nur deswegen war er auf die Idee mit der Beichte gekommen.
»Ich weiß nicht, ob ich das schaffe, Herr Pater.«
»Du musst dein Herz erleichtern. Jetzt sprich!«
»Okay, es war so. Ich hatte Wodka geklaut. Drei Flaschen. Die haben wir an der Halfpipe gesoffen. Wir waren total dicht, ich schwöre es.«
»Wer ist wir?«
»Ich und meine Kumpels.«
»Nenn mir die Namen.«
»Das kann ich nicht.«
Er hatte noch nie einen verpfiffen. So was macht man nicht, hatte sein Bruder gesagt, nicht mal, wenn sie einem das Messer an den Hals setzen.
Der Pater holte Luft. »Patrick, Gott hat uns durch seine unendliche Barmherzigkeit das Sakrament der Buße geschenkt. Wenn du beichtest, sprichst du direkt zu ihm. Ich bin nur der Mittler. Niemand wird erfahren, was du ihm anvertraust.«
Ich verrate trotzdem keinen, dachte Patrick, ich sage ihm nur die Namen, die auch die Polizei kennt.
»Ich erinnere mich nicht mehr an alle, ich war so besoffen, aber Drago war dabei … und Kevin.«
»Wie alt wart ihr?«
»Ich noch dreizehn, die anderen vierzehn.«
»Deutsche, Ausländer?«
Wieso interessiert ihn das, dachte Patrick.
»Deutsche und Jugos, glaube ich.«
»Kleine Jugoslawen also. Schön, weiter.«
»Also, wir saßen auf der Mauer und haben rumgeblödelt. Da ist sie an uns vorbeigegangen: total kurzer Rock, Nabelpiercing und geschminkt wie eine Nutte – obwohl sie erst zwölf war.«
»Zwölf? So jung? Mein Gott.«
Komisch, dachte Patrick, es klingt fast, als würde er sich drüber freuen.
»Ja, aber das haben wir nicht gewusst. Und gesehen hat man es echt nicht. Die hat jeden einzelnen von uns angegafft, richtig lange. Dann ist sie weitergestöckelt. ›Ich glaube, die will dringend geknallt werden‹, hat Drago gesagt.
Ich habe erst gar nicht gecheckt, was die andern vorhaben, ich bin einfach nur mit. Wir hinterher, zwischen den Blocks durch zum Parkplatz. Sie hat sich nach uns umgeschaut und ist losgerannt. Und wir ihr natürlich weiter nach. Hinterm Stromhäuschen hat Kevin sie gepackt und zu Boden geworfen. Sie hat geschrien wie blöd. Aber da ist er schon auf ihr drauf gelegen. Und Drago hat ihr den Mund zugehalten.«
»Und du, Patrick?«, sagte der Pater mit einer Stimme, dass es ihm eiskalt den Rücken runterlief.
»Ich? Ich habe zugeschaut.«
»Nur zugeschaut? Wirklich?«
»Ja, ich war der Jüngste. Die hätten mich nie rangelassen.«
»Aber du wärst gern an Kevins Stelle gewesen?«
Patrick schwieg.
Der Pater kam dichter an ihn heran. »Es hat dich erregt, ihm dabei zuzusehen. Stimmt’s? Beschreib deine Gedanken.«
O nein, es funktioniert nicht, dachte Patrick. Max hat Scheiße erzählt. Der Pater geilt sich an der Geschichte auf. Der lässt sich alles haarklein erzählen, und dann bin ich dran.
Er schaute verzweifelt zu der Jesusfigur. Verdammt, was soll ich tun? Sag’s mir, bitte!
»Patrick, zu einer Beichte gehört die Gewissenserforschung. Hat es dich erregt?«
Er konnte hören, wie der Atem des Paters sich beschleunigte.
»Nein, Pater Anselm.«
»Patrick, sag die Wahrheit!«
Jesus, dachte er, wieso hilfst du mir nicht?
Er sah das gequälte Gesicht, die verdrehten Augen, die Dornenkrone, die Blutstropfen an der Stirn.
Die Blutstropfen!
»Was ist jetzt, Patrick?«
»Ich fand es eklig. Total eklig!« Er schrie, Tränen schossen ihm in die Augen.
Der
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